Artikel in der „Graswurzelrevolution“

Über die Repressionswelle der letzten Zeit gibt es nun auch einen informativen Artikel bei der Graswurzelrevolution – online hier zu finden.

Ende Gelände lässt sich nicht einschüchtern

Repressionswelle gegen Klima-AktivistInnen

Das Klimagerechtigkeits- und Anti-Braunkohle-Bündnis Ende Gelände, das 2015 mit knapp 1.500 Menschen den rheinländischen Tagebau Garzweiler stundenlang stilllegte und 2016 mit mehr als 3.500 Menschen beträchtliche Teile der Lausitzer Braunkohleinfrastruktur für ein ganzes Wochenende blockierte (die GWR berichtete), sieht sich in diesem Herbst einer erwartbaren, aber dennoch anstrengenden Repressionswelle ausgesetzt.

Fast wöchentlich laden die zuständigen Amtsgerichte in Erkelenz und Grevenbroich nun Aktivist*innen ein, die während der Aktionen 2015 am Tagebau Garzweiler festgenommen wurden. Ein großer Teil der damals Festgenommenen stellte die Polizei durch die Verweigerung der Personalienangabe vor eine unlösbare Aufgabe und konnte somit der Verfolgung durch die Justiz entgehen; scheinbar ein Grund mehr für die Strafverfolgungsbehörden, sich mit besonderer Härte denjenigen zuzuwenden, die sich identifizieren ließen, und sie stellvertretend für alle Aktivist*innen abzustrafen. Die Vorwürfe gehen dabei von Hausfriedensbruch, über Landfriedensbruch bis hin zum versuchten schweren Eingriff in den Straßenverkehr.

Ab Mitte 2016 erhielten die ersten Aktivist*innen sogenannte Strafbefehle zugestellt. Die Geldstrafen bewegten sich dabei je nach Vorwurf zwischen 300 und 2400 Euro und waren damit von vornherein ungewöhnlich hoch angesetzt. Selbstverständlich wurde von Seiten der Aktivist*innen Widerspruch gegen diese Verurteilungen eingelegt, sodass nun eine Menge Verfahren in den entsprechenden Amtsgerichten anstehen. Von Anfang Oktober bis Mitte November wurden insgesamt vier Hauptverhandlungen in Erkelenz begonnen, von denen bisher nur eine abgeschlossen wurde. Die Schlagzahl wird sich in den kommenden Wochen nochmals deutlich erhöhen, weil die angefangenen Verhandlungen fortgeführt werden und auch das Amtsgericht Grevenbroich begonnen hat, massenhaft Prozesstermine zu verschicken.

Vorwurf Landfriedensbruch nicht aufrecht zu erhalten

Zum Auftakt der Prozessserie wurden der Tatbestand des Landfriedensbruchs und des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz wegen Vermummung verhandelt. Als Landfriedensbruch gelten Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen, die aus einer Menschenmenge heraus in einer die öffentliche Sicherheit gefährdenden Weise begangen werden. Insgesamt konnte der ausgesprochen schwere Vorwurf des Landfriedensbruchs nicht aufrechterhalten werden, wobei der Richter während seiner Einschätzung zur Rechtslage eine sehr ungewöhnliche Rechtsauffassung offenbarte, als er äußerte, für ihn gelte es als gewaltsam, wenn ein Polizist zur Seite treten müsse. Zudem wertete er die Atemschutzmaske als Grenzfall zur Vermummung und damit als möglichen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Nach einer kurzen Rechtsbesprechung einigten sich die beteiligten Parteien auf eine Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung von 500 Euro an die Amadeu Antonio-Stiftung und damit auf einen Bruchteil der im
Strafbefehl geforderten 2400 Euro. Bemerkenswert an dem Prozess waren zudem die Aussagen des Polizeizeugen, der anführte, dass die Aktivist*innen auf der Brücke geschlossen mit Strohsäcken eine Polizeikette durchbrochen und damit auch Kollegen von ihm zu Fall gebracht hätten – Aussagen, die leicht durch Videos und Fotos zu entkräften gewesen wären; eine Möglichkeit, die leider nicht genutzt wurde. Dennoch zeigte sich damit beispielhaft die ergebnisorientierte Aussagekultur und somit auch die Unglaubwürdigkeit von Polizeizeugen.

Strohsack als Schutzwaffe?

Die Unhaltbarkeit der Anklage bestätigte sich ebenfalls beim zweiten Landfriedensbruchprozess, den der Richter damit begann, den Vorwurf aufzuheben. Stattdessen wurde der Angeklagten nun ein Verstoß gegen das Versammlungsgesetz wegen Schutzbewaffnung und/oder Vermummung (Mitführen eines Strohsacks, Mundschutz & Sonnenbrille im Gesicht) vorgeworfen. Der Richter könne sich aber vorstellen, ebenfalls wie im voran gegangenen Prozess das Verfahren gegen Zahlung einer Auflage einzustellen.

Das lehnten Verteidigung und Angeklagte ab, da sie keine Notwendigkeit für ein solches Zugeständnis sahen. Im Folgenden drehte sich die Diskussion fast ausschließlich um den Strohsack. Obwohl sogar der Polizeizeuge aussagte, die Angeklagte hätte den Strohsack nach der Festnahme lediglich als Sitzkissen benutzt, zeigte sich schnell, dass Gericht und Staatsanwaltschaft nicht Willens sind, die Klima-Aktivistin unbestraft aus dem Prozess zu entlassen. Auf Antrag des Verteidigers wurde der Prozess ausgesetzt, um sich gezielt auf die neue Anklagesituation vorbereiten zu können.

Offensive Prozessführung mithilfe von Laienverteidigung

Ebenfalls vertagt wurde das Urteil über den Hausfriedensbruch. Unter dem fadenscheinigen Argument, der Wahlverteidiger – ein ausgesprochen erfahrener und auch bekannter Laienverteidiger – könne seine juristischen Kenntnisse nicht nachweisen, wurde der Prozess direkt zu Beginn zur Klärung von dessen Kompetenz verschoben.

Nur einen Tag später vertraten drei Laienverteidiger*innen drei Aktivist*innen, die des „versuchten schweren Eingriffs in den Straßenverkehr“ angeklagt waren. Eine der verteidigenden Personen war eben jener Laienverteidiger vom Vortag – da aber Richter und Staatsanwältin gewechselt hatten, durfte die Laienverteidigung diesmal ohne Einwände ihre angedachte Aufgabe antreten. Somit begann ein kämpferisch und offensiv geführter Prozess, der sich über den gesamten Prozesstag erstreckte. Kleines Schmankerl in diesem ansonsten ernsten Prozess war das unter Jubel der Anwesenden durchgeführte Entrollen des Banners mit der Aufschrift „Kohle Killt!“, um Erinnerungslücken der Polizeizeugen zu schließen.

Im Anschluss an die Zeugenbefragung sollte mithilfe von vier Beweisanträgen abgeklopft werden, ob der Richter die gegen die Anklageschrift erbrachten Argumente auch als Beweise würdigen würde. So formulierten die Aktivist*innen, dass der Verkehr während der gesamten Kletteraktion uneingeschränkt weiterlaufen konnte und sie somit kein Hindernis für diesen darstellten. Auch seien sie alle gut geübte Kletter*innen, die weder sich noch andere Personen in Gefahr bringen würden. Um dies zu untermauern, beantragten sie, Simon Bromma zu laden, ein in Heidelberg enttarnter Polizeispitzel, der sich unter anderem in klimaaktivistischen Zusammenhängen bewegte und an einer Kletter*innenausbildung teilgenommen hatte.

Zudem hätten sie mit der Aktion von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch gemacht, um auf die zerstörerischen Auswirkungen der Kohleverstromung hinzuweisen, und diese Versammlung sei auch nicht rechtskräftig aufgelöst worden.

Rechtfertigender Notstand vs. Hausfriedensbruch

Sie legten dar, dass der menschengemachte Klimawandel heute schon Menschenleben kostet und dass ein schnellstes Eingreifen nötig ist, um die Erderwärmung zu begrenzen, und dass somit ihre Handlungen durch einen rechtfertigenden Notstand gedeckt seien. Alle Beweisanträge wurden vom Richter zwar abgelehnt, jedoch mit der Begründung, dass die vorgestellten Tatsachen als wahr unterstellt werden könnten. Somit stimmte er faktisch der gesamten Argumentationslinie zu, stellte aber formal fest, dass es nicht notwendig sei, dazu zusätzliche Beweise zu erheben. Nach knapp sechsstündiger Verhandlung sah auch die Staatsanwaltschaft ein, dass ihr Vorwurf nicht haltbar ist. Doch führte dies nicht zu einer Verfahrenseinstellung. Stattdessen wurde der Tatvorwurf abgeändert und ein zweiter Prozesstag angesetzt.

Spätestens nach diesem Prozess ist offensichtlich, dass das Gericht am Ende der Prozesse unter keinen Umständen Freisprüche aussprechen möchte. Keiner der verhandelten schweren Vorwürfe, die im Strafbefehl erhoben wurden, war auch nur im Ansatz haltbar. Dass diese Strafbefehle überhaupt verschickt wurden, obwohl sie keiner gerichtlichen Untersuchung standhalten, muss als stumpfe, aber eindrückliche Methode der Einschüchterung betrachtet werden. Schließlich ist ein enormer zeitlicher und emotionaler Aufwand nötig, um die erhobenen Vorwürfe zu entkräften. Der im Raum stehende Vorwurf und die damit einhergehende staatliche Bestrafung basierten in keinem der Prozesse auf der gegebenen Faktenlage und es ist skandalös, dass sich die Strafverfolgung nicht entblöden lässt, auf politischen Druck hin drastisch gegen Klimaaktivist*innen vorzugehen. In diesem Zusammenhang ist es auch brisant festzuhalten, dass der Vorwurf Hausfriedensbruch nicht verhandelt, sondern verschoben wurde.

Das Gericht wird die Frage beantworten müssen, ob diese zivil ungehorsame Blockade der Grube in Anbetracht der klimaschädlichen Handlungen RWEs nicht aus einem rechtfertigenden Notstand heraus durchgeführt wurde.

Ob dieses Urteil im Herzen des rheinischen Braunkohlereviers abschließend gefällt wird, wird sich in den kommenden Monaten zeigen. Unabhängig davon, wie die Gerichte in den einzelnen Fällen entscheiden; Ende Gelände wird auch 2017 wieder massenhaft Kohleinfrastruktur blockieren und sich nicht vom staatlichen Repressionsapparat einschüchtern lassen. Klimaschutz bleibt Handarbeit.

Michèle Winkler und Hannes Lindenberg

Personen in Haft

Seit Anfang Dezember befinden sich drei Personen aus dem Umfeld des Hambacher Forstes in Haft.
Nähere Infos, die Adressen, an die ihr den Gefangenen Briefe schreiben könnt und alle Neuigkeiten findet ihr auf der Seite des ABC Rhineland.

1. Dezember: Hodei & Siao festgenommen – Untersuchungshaft JVA Köln Ossendorf
3. Dezember: Maya festgenommen – JVA Köln Ossendorf

Haltet euch auf dem Laufenden, zeigt eure Solidarität –

Im Knast sitzen einige, gemeint sind wir alle!

Update: am 21. Dezember sind alle drei aus der Haft entlassen worden – die näheren Hintergründe findet ihr auf der Seite des ABC!

Erster Zivilprozess – (28.11.)

28.11., 14 Uhr, Landgericht Köln – Öffentlichkeit erwünscht!

Hier nähere Infos:
Am Montag, den 28.11., 14 Uhr, findet eine Zivilverhandlung gegen RWE vor dem Landgericht Köln gegen zwei Aktivist_innen statt. RWE verklagt sie auf Unterlassung von Betriebsstörungen der Kohlebahnen, weil sie eine dementsprechende Erklärung nicht freiwillig unterschrieben haben.

Am 1.8.2014 sollen sie zusammen mit anderen Menschen eine Abseilaktion über den Schienen der Hambachbahn durchgeführt haben. Der Betrieb wurde angeblich für 7 Stunden unmöglich gemacht. Also Folge dieser Aktion strengte RWE dann ein Zivilverfahren an. Dies nahm den üblichen bürokratischen Weg, wurde mehrmals verschoben, und steht nun mehr als 2 Jahre später zur Verhandlung an.

Seit den EndeGelände-Aktionen sind die von RWE geforderten Unterlassungserklärungen für viele Aktivist_innen ein Problem. Ihr seid
herzlich eingeladen, dem Prozess beizuwohnen. Auch um euch selbst ein Bild zu machen, falls ihr in Zukunft selbst betroffen sein solltet. Zivilprozesse unterscheiden sich in Form und Ablauf stark von Strafprozessen.

Egal auf welche Art die Repression erfolgt – wir stehen solidarisch zusammen!

*Bericht von der Verhandlung*

kurz zum Hintergrund:
Gegen 2 Aktivistis steht aufgrund einer Aktion während des Klimacamps 2014 ein Versäumnisurteil im Raum. Das bedeutet, da sie eine entsprechende Unterlassungsverpflichtungserklärung nicht unterschrieben haben, sollen sie dazu verurteilt werden die UE anzuerkennen und den entsprechenden Vertrag mit RWE einzugehen.

Gegen dieses Versäumnisurteil wurde Einspruch eingelegt. Ob dieser haltbar ist oder nicht muss das Landgericht Köln entscheiden.

Heute hatten die beiden Angeklagten die Gelegenheit sich zu ihrer Motivation zu äußern:
Da RWE mit klimazerstörerischen Handlungen Menschenleben und das Leben des Planten massiv gefährdet, handelt es sich bei den Aktionen um Notwehr. Der profitorientierte Konzern, der sich seiner Verantwortung nicht stellt, wird nicht durch Regierungen oder ähnliches gestoppt, daher ist es das Recht der Menschen, sich der Zerstörung in den Weg zu stellen!

Außerdem wurde darauf hingewiesen, dass der Prozess vor dem LG Essen Saúl Luciano gegen RWE Power eine Auswirkung auf das Verfahren gegen die beiden Klimaaktivist*innen haben könnte und daher berücksichtigt werden muss.

Eine Entscheidung durch das Gericht wurde für den 9.1. angekündigt.

Soweit der neueste Stand. Detaillierte Ankündigungen zu den Prozessen wegen Hausfriedensbruch Anfang Dezember in Grevenbroich kommen in den nächsten Tagen.

Wie immer gilt:
Zeigt euch solidarisch mit den Betroffenen, denn Betroffen sind Einige – gemeint sind wir ALLE!

Prozesse am 15. und 16.

Update: Beide Prozesse kamen nicht zu Ende und werden im Dezember weiter verhandelt.

Presseinfo:

Am kommenden Dienstag sowie Mittwoch finden vor dem Amtsgericht Erkelenz zwei Strafprozesse gegen Klimaaktivisten statt, die sich im Sommer 2015 an den Aktionen des massenhaften zivilen Ungehorsams gegen den Braunkohletagebau Garzweiler II beteiligten.
Einem Aktivisten wird vorgeworfen, sich unerlaubt auf dem Gelände des Tagebaubetreibers RWE aufgehalten zu haben und sich demnach eines Hausfriedensbruchs schuldig gemacht zu haben. Dies sei „…eine Farce, dass ein Konzern, welcher ganze Landstriche dauerhaft verwüstet und Tausende Menschen aus ihren Dörfern jagt, mir Hausfriedensbruch vorwirft.“
Den drei anderen Aktivisten wird der Versuch eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr vorgeworfen, indem sie eine Demonstration auf sowie an einer Brücke der Autobahn A61 durchführten, die ebenfalls nach Plänen der NRW-Landesregierung und RWE dem Tagebau weichen soll und bereits jetzt entlang der Abbruchkante verläuft. Um diese Demonstration zu beenden, hat die Polizei die Autobahn beidseitig gesperrt, was den übrigen EndeGelände AktivistInnen die sichere Passierung der Autobahn ermöglichte.

Das aktuelle Versagen der Bundesregierung, einen nationalen Klimaschutzplan nach den Beschlüssen des UN-Klimagipfels in Paris letzten Jahres aufzusetzen, zeigt deutlich, dass man sich beim Klimaschutz nicht auf die Politik verlassen kann.
Bundesumweltministerin Hendricks kann beim aktuell stattfindenden Klimagipfel in Marrakesch keine konkreten Zahlen vorlegen, wie Deutschland einen Teil dazu beitrage soll, den globalen Temperaturanstieg auf maximal 2°C zu begrenzen, nachdem der Filz aus Gewerkschaften und Industrieverbänden Hendricks Plan zu einem schwammigen Wunschzettel aushöhlten. So wurde beispielsweise die Kohleausstiegskommission, welche den Kohleausstieg bis 2030 umsetzen soll, was zwingend nötig ist, um den bereits von der Bundesregierung ratifizierten Beschluss aus Paris umzusetzen, umbenannt in „Kommission Klimaschutz, Wachstum, Strukturwandel und Vollendung der Energiewende“, wobei weder 2030, noch der „Kohleausstieg“ genannt werden.
„Für Politiker mag es eine Blamage sein, doch für sehr viele Menschen weltweit geht es um die Existenz und zeigt auf, dass Aktionen wie Ende Gelände zwingend nötig sind, um die Lebensgrundlagen auf unserem Planeten zu erhalten.“, so einer der Aktivisten.

Wir, die Angeklagten werden uns nicht aburteilen lassen, sondern uns offensiv gegen die Vorwürfe vor Gericht wehren. Die Prozesse finden öffentlich im Amtsgericht Erkelenz statt:
15.11.2016 10:50 Sitzungssaal 1.02 – Hausfriedensbruch
16.11.2016 9:00 Sitzungssaal 1.02 – Versuchter gefährlicher Eingriff
in den Straßenverkehr

Solidaritätskundgebung in Berlin:

Liebe Alle,
Ende Gelände hat 2015 und 2016 mit massenhaften Aktionen des zivilen
Ungehorsams Braunkohle-Tagebaue im Rheinland und der Lausitz blockiert.
Mehrere Tausend Menschen haben sich für den sofortigen Kohleausstieg und
das Ende des fossilen Kapitalismus eingesetzt. Mit Erfolg: Der
Kohleausstieg ist kein Tabuthema mehr und die Klimabewegung wächst.
Aber diese Aktionen sind noch nicht vorbei: RWE, Polizei und
Staatsanwaltschaft versuchen die Bewegung zu kriminalisieren. Einige
Menschen sind nun mit Gerichtsverhandlungen wegen „Hausfriedensbruchs“,
„Landfriedensbruchs“ oder „versuchten gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr“ konfrontiert.

Es trifft einzelne, aber gemeint sind wir alle.

Am Dienstag, den 15.11. findet in Erkelenz (NRW) ein Prozess gegen
einen Berliner Aktivisten im Kontext der Ende-Gelände-Aktion 2015 statt.
Zeitgleich zur Verhandlung werden wir uns in Berlin an diesem Tag um
10:30 Uhr vor der Landesvertretung Nordrhein-Westfalens in der
Hiroshimastraße 12 versammeln (fußläufig erreichbar von U
Nollendorfplatz
bzw. S+U Potsdamer Platz). Dort werden wir uns auf einer
Solidaritätskundgebung gegen die Kriminalisierung des notwendigen
Protests stellen und gemeinsam den Ausgang des Prozesses verfolgen.

Bringt Freund*innen, Kolleg*innen, Mitbewohnis und Familie mit und
lasst uns deutlich machen, dass Klimaschutz kein Verbrechen ist, unsere
Interventionen notwendig sind und wir niemanden allein lassen.

Gemeinsam sind wir stark!

Wir sehen uns am Di, 15.11. um 10:30 bei der Hiroshimastr. 12

Ende Gelände Berlin

1. Prozess wegen Ende Gelände

Am 6.10. wurde am Amtsgericht Erkelenz der erste Prozess wegen der Ende Gelände-Aktion 2015 geführt. Dem Angeklagten wurde Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen. Er wurde von einem solidarischen Anwalt vertreten. Ein Polizist sagte als Zeuge aus. Der Prozess wurde von einigen solidarischen Menschen beobachtet

Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, gemeinsam mit einer Gruppe von 800 Menschen eine Polizeikette auf einer noch nicht fertiggestellten Brücke über die A61 durchbrochen zu haben.

Wieviele Polizisten waren auf der Brücke? Handelte es sich um Polizeiketten? Wo war der Augenschutz? Wo war der Mundschutz genau?
– waren zentrale Fragen.

Der Angeklagte berief sich auch auf den Inhalt des Aktionskonsens, um deutlich zu machen, dass von ihm keine Gewalt ausging. Der Richter
stellt sich die Frage, ob durch die Zustimmung zum Aktionskonsens nicht schon ein Vorsatz gegeben sein könnte …

Insgesamt konnte der Vorwurf des Landfriedensbruchs nicht aufrechterhalten werden.
Der Richter wertete die Atemschutzmaske jedoch als Grenzfall zur Vermummung und damit als Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Nach einer kurzen Rechtsbesprechung einigten sich die beteiligten Parteien auf eine Einstellung gegen Auflage. Der Angeklagte muss 500 Euro an die Amadeu Antonio-Stiftung zahlen.

EA Auswertung zum Klimacamp 2016

Nach einigen kontroversen Diskussionen um die neue Polizeistrategie und den diesjährigen Einsatz der Polizei haben wir vom Legal Team des Klimacamps 2016 beschlossen, eine Auswertung und Bewertung der Ereignisse dieses Jahres zu veröffentlichen. Auch wenn im Gegensatz zum letzten Jahr Gewaltexzesse der Polizei ausblieben, halten wir die jetzige stark differenzierte, oberflächlich dialog-orientierte Strategie der Polizei für gefährlich für die Bewegung. Wir begrüßen diese Entwicklung keinesfalls.

Ankündigung: Neue Polizeistrategie

Im Vorfeld des Klimcamps 2016 wechselte die Polizeizuständigkeit für die Braunkohle-Auseinandersetzungen im Rheinland komplett auf die Polizei Aachen.
Die Polizeiführung kündigte groß eine neue Polizeistrategie der Deeskalation zur Verminderung der Gewalt an.
Diese begann mit einer Pressekonferenz, bei der die im Hambacher Forst beschlagnahmten “Waffen” vorgestellt wurden und so die Aktivist*innen aus dem Hambacher Forst gezielt und bewusst als Gewalttäter*innen der Presse vorgestellt worden.

Konkrete Vorfälle

Insgesamt war dieses Jahr eher ruhig, was zum Teil vermutlich auf die gewählten Aktionsformen zurück zu führen ist. Regelrechte Gewaltexzesse wie im letzten Jahr bei Ende Gelände im Rheinland seitens der Polizei blieben aus. Insgesamt gab es 24 Fest- bzw. Ingewahrsamnahmen, alle am zweiten Aktionstag.

Uns erschiene es jedoch absurd, das jetzige Polizeiverhalten zu loben, nur weil wir im letzten Jahr erleben mussten, dass es viel schlimmer geht. “Besser” bedeutet schließlich noch immer, dass es sich bei der Polizei um gewaltanwendende Durchsetzungsgehilf_innen der Braunkohle handelt.

Redebedarf?

Immer wieder versuchte die Polizei mit Beteiligten zu reden, nötige beinahe Gespräche auf. Auch bei Mahnwachen kam der Einsatzleiter persönlich vorbei und fragte, warum denn nicht mit ihm geredet würde, dem “Aktionslabor” wären doch bereits vorher Gespräche angeboten worden. Er verstünde nicht, warum dies abgelehnt worden sei, schließlich sei es auch in seinem Interesse, dass alles friedlich ablaufe. Man könne ja gut miteinander auskommen und Sachen absprechen.
Seitens des Klimcamps gab es einige Telefonate im Vorfeld um klar abzustecken, welchen Abstand man sich von der Polizei zum Camp wünscht; zu einem Treffen ist es nicht gekommen. Das Aktionslabor hat auf die Anfragen der Polizei zu einem Gespräch nicht reagiert.

Vorsicht vor Fahndungen

Am ersten Aktionstag (Donnerstag) wurde bei einer Auto-Kontrolle dem Fahrer vorgeworfen, er hätte im letzten Jahr Steine geworfen. Zum Vergleich hatte die Polizei ein Foto dabei und wollte für die weiteren Ermittlungen ein Foto des Fahrers machen. Offensichtlich fahndet die Polizei also mit Fotos nach Aktiven des letzten Jahres, zumindest in einigen Fällen (sie werden eher keine Galerie der 800 Personen denen Hausfriedensbruch vorgeworfen wurde, dabei haben).
Presse – alles Lüge?!

Am zweiten Aktionstag gab es 21 Festnahmen im oder am Tagebau (Vorwurf: Hausfriedensbruch). Dabei wurde auch ein Pressefotograf festgenommen. Auf Nachfrage eines parlamentarischen Beobachers erklärte der Polizeipräsident diesem gegenüber, die Person wäre keine Presse gewesen, sondern als Aktivist da gewesen – und das obwohl der Fotojournalist sich mit Presseausweis vorstellen konnte und deutlich als Presse gezeichnet war. Hier wurde also vom Polizeipräsident schlichtweg gelogen, um einer Auseinandersetzung um Pressefreiheit aus dem Weg zu gehen. Auch der Journalist bekam von RWE einen Zettel mit Hausverbot und dem Verbot, jegliche Anlagen von RWE zu fotografieren. RWE und Polizei arbeiten also weiter an der Einschränkung von kritischer Presseberichterstattung und schrecken dabei vor Lügen nicht zurück.

Von den weiteren im oder am Tagebau Ingewahrsamgenommenen verweigerten die meisten die Personalien, wurden in Aachen auf dem Polizeipräsidium mit dem neuen Fingerabdruck-Scanner erkennungsdienstlich behandelt (Fingerabdrücke, Fotos) und kamen nach unter 10 Stunden wieder frei. Den Käfigen nach zu urteilen, war die Polizei auf mehr Ingewahrsamnahmen vorbereitet.

Repressions-Suppe

Aus einer angemeldeten Demonstration heraus kam es zu einer Blockade des Skywalks (Aussichtsplattform von RWE über den Braunkohletagebau Garzweiler). Mehrere Stunden lang verlief dort alles friedlich.
Gerade als die Aktivist*innen jedoch Mittagessen (Suppe) geliefert bekamen, löste die Polizei die Blockade auf und zwar mit drei Durchsagen innerhalb von einer Minute und dann einem Angriff auf die Menschen mit Suppentellern in der Hand. Bei der Räumung wurde eine Person verletzt, Sanitäter zunächst nicht zu ihr durchgelassen. Es wurden drei Personen festgenommen. Der ersten wurde vorgeworfen, Suppe über die Polizei geschüttet und damit gefährlicher Körperverletzung begangen zu haben (wahlweise sich vermummt zu haben, die Angaben der Polizei waren widersprüchlich), der zweiten wurde vorgeworfen, versucht zu haben, die erste zu befreien und der dritten wurde eine Beleidigung unterstellt. Ohne das zur behaupteten Deeskalationsstrategie widersprüchliche Vorgehen der Polizei bei der Räumung wäre eine Konstruktion von derartigen Vorwürfen überhaupt nicht möglich gewesen.

Alle drei Personen wurden nach Aachen mitgenommen und ed-behandelt, obwohl die erste Personalien angab. Allen dreien wurde ein Telefonat zunächst verweigert. Erst als Menschen vom Klimacamp sich darüber direkt und zahlreich bei der Polizei beschwerten, erreichten den Ermittlungsausschaus Telefonate der Eingesperrten. Die erste festgenommene und die Person mit dem Beleidigungsvorwurf wurden am Abend freigelassen, erstere mit, zweitere ohne Angabe von Personalien. Bei der dritten Person wurde am späten Abend klar, dass sie am nächsten Morgen einem Haftrichter vorgeführt werden sollte (Vorwurf: versuchte Gefangenenbefreiung). Die betroffene Person gab am nächsten Morgen nach Besprechung mit einem Anwalt die Personalien ab und wurde daraufhin nach weiteren Verzögerungen frei gelassen. Eine Verteidigung gegen den konstruierten und vermutlich nicht haltbaren Vorwurf ist außerhalb vom Knast leichter und eine Verurteilung weniger wahrscheinlich als wenn eine Haft durchs Gericht noch gerechtfertigt werden muss.

Vor dem Polizeipräsidium besaß der Einsatzleiter noch die Dreistigkeit, den wartenden solidarischen Personen zu sagen: “Wir sind ja bisher ganz gut miteinander ausgekommen.”
Nein sind wir nicht und werden wir auch nicht – der gleiche Einsatzleiter wollte dafür sorgen, dass eine Person unter einem sehr konstruierten Vorwurf nach einer überzogenen Polizeiaktion in Untersuchungshaft kommt – für Wochen.

Bewertung des Legal Team

Trotz der Ankündigung eines deeskalativen Vorgehens agierte auch in diesem Jahr die Polizei wieder mit Gewalt und Einschränkungen von Pressefreiheit – da ist eine Konsistenz zu erkennen.

Trotzdem bleibt festzuhalten: Die Polizeistrategie im Rheinland hat sich geändert. Angesichts von laut Polizeiangaben 1000 unaufgeklärten Straftaten (richtig?) rund um den Hambacher Forst und ähnlich vieler wegen massenhafter Personalienverweigerung bei Ende Gelände 2015 ist das kein Wunder.

Die Strategie der Polizei im letzten Jahr zielte unseres Erachtens nach darauf ab, möglichst viele Menschen von weiteren Protesten abzuhalten (durch zum Teil auch traumatisierende Gewalt). Dass dies in der Gesamtheit nicht gelungen ist, hat Ende Gelände an Pfingsten in der Lausitz bewiesen. Damit war die Strategie der exzessiven Gewalt von 2015 offenkundig fehlgeschlagen und eine neue Strategie musste entwickelt werden. Es geht unserer Einschätzung nach bei der neuen Strategie an keiner Stelle darum, netter mit Menschen umzugehen, sondern schlicht um Effizienz in der Widerstandsbekämpfung, ohne in der Öffentlichkeit ganz schlecht dazustehen.

Der neue zuständige Polizeipräsident will Erfolge vorweisen. Im Angesicht von brutaler Polizeigewalt im letzten Jahr waren in diesem Jahr etliche Aktive froh über das vergleichsweise “milde” Vorgehen der Polizei.

Die Aufgabe und das Ziel der Polizei bleibt jedoch das gleiche: Das Durchsetzen des Braunkohletagebaus von RWE, mit welchen Mitteln auch immer. Die neue Strategie ist ausdifferenzierter, Gewalt und Repression gegen sogeannte “Straftäter”, nicht mehr wahllos gegen alle. Damit könnte das konkrete Ziel der Polizei sein, einen Spaltungskern in die Bewegung zu treiben, zwischen den “Gesetzestreuen” und den “Straftätern”, zwischen den “Friedlichen” und “Militanten”, zwischen denen die mit der Polizei reden und denen, die es (aus guten Gründen) nicht tun. Das Vorgehen der Polizei wird dabei unterstützt von Kampagnen wie der der IGBCE “Schnauze voll von Gewalt”, die sich gegen sogenannte Gewalt von Braunkohle-Gegner*innen richtet. Damit soll unserer Vermutung nach erreicht werden, dass sich die Menschen, die sich lokal in Vereinen und Verbänden organisieren, die Mahnwachen veranstalten, auf die Straße gehen von den “Gewalttätern” distanzieren.

Gleichzeitig wird gegen die Menschen, die sich nicht an Gesetze halten um Widerstand gegen den Braunkohleabbau zu leisten härter vorgegangen. Dabei bereitet der Polizei insbesondere die im Rheinland üblich gewordene Personalienverweigerung Probleme. So lassen sich weniger leicht Gerichtsverfahren führen und damit Menschen einschüchtern. Ein Großteil der Straftaten bleibt ungesühnt (ein aus unserer Perspektive guter Zustand). Deshalb könnte die Polizei, ähnlich wie in der Lausitz versuchen, die Drohung von Knast als Einschüchterungsmittel zu verstärken. Dabei werden relativ willkürlich Einzelpersonen herausgesucht (wie hier ein Teilnehmer einer Sitzblockade) um sie mit der Drohung von Untersuchungshaft zur Herausgabe der Personalien zu nötigen oder sie Einzusperren als Drohung für die gesamte Bewegung. Diese starke Kriminalisierung von Einzelpersonen gegenüber einem relativ milden Vorgehen gegen den Rest soll vermutlich zur Isolierung der Betroffen und weiteren Spaltung führen. Zumindest ist dies unsere Interpretation des polizeilichen Vorgehens, auch wenn es vielleicht weitere Erklärungsmuster geben kann.

Wir müssen dafür sorgen, dass diese Spaltungsabsichten keinen Erfolg haben. Dazu versuchen wir die Polizeistrategien zu analysieren und transparent zu machen und in der Klimabewegung ein Bewusstsein für Repression zu schaffen. Wir müssen weiter diskutieren, damit der Spruch “getroffen sind einzelne, gemeint sind wir alle” nicht ein bloßer Spruch bleibt, sondern zu mehr Solidariät führt. Wenn nicht alle verprügelt werden, sondern einzelne im Knast landen, ist das nicht weniger Repression, sondern bloß andere. Sorgen wir dafür, dass sie nicht wirkt.

Clumsy verurteilt: 120 Tagessätze á 13 Euro

Berlin/Görlitz, 20. Juli. Das Amtsgericht Görlitz verurteilte den Aktivisten „Clumsy“ heute Nachmittag wegen „Störung öffentlicher Betriebe“ und „Nötigung“ zu 120 Tagessätzen á 13 Euro. Dem Aktivisten wird vorgeworfen, sich im Mai im Rahmen der „Ende Gelände“-Aktionen an die Schienen der Kohlebahn zum Kraftwerk Schwarze Pumpe gekettet zu haben. Das Aktionsbündnis Ende Gelände kritisiert das Urteil scharf.

„Clumsy leistet legitimen zivilen Ungehorsam gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch Abbau und Verbrennung von Braunkohle. Klimaschutz ist kein Verbrechen!“, äußert sich Hannah Eichberger, Sprecherin von Ende Gelände.

Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert. Doch nur der Vorwurf des „Hausfriedensbruches“ wurde fallengelassen, da das betreffende Gelände nicht umfriedet gewesen war. Der Vorwurf der „Nötigung“ wurde u.a. damit begründet, dass Clumsy durch das Anketten an den Gleisen „Gewalt“ auf den Lokführer ausgeübt habe. Der Aktivist zieht in Betracht, in Berufung zu gehen. Weiterlesen

Aufruf der Zwischenzeit

Folgende Bitte um Unterstützung erreichte unser Postfach. Es geht um eine einstweilige Verfügung der AFD Mainz gegen die Redaktion der Zwischenzeit.

english version below

Liebe Leute!

Ein weiteres Mal brauchen wir eure Hilfe. Bereits im März hatten wir – die Zwischenzeit, ein aktivistisches Lokalmagazin aus dem Raum Mainz/Wiesbaden – um eure Unterstützung gebeten: Die AfD hatte versucht, unsere Redaktion mit einer Unterlassungserklärung zum Schweigen zu bringen. Weiterlesen