Das Amtsgericht Grevenbroich hat heute ein*e Aktivist*in wegen der Blockade des Kraftwerks Neurath im November 2021 zu neun Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. (Hintergrund – Statement aller BlockNeurath-Angeklagten zum Urteil)
Die angeklagte Person E. war heute Morgen von der Polizei nicht aufgegriffen worden, erklärte die Pressesprecherin des Amtsgerichts vor Beginn der Verhandlung. Wenig später erschien die gesuchte Person angekettet an eine Freundin vor dem Justizgebäude und verlangte, in den Gerichtssaal mit der Begleiterin eingelassen zu werden. „Angeklagt ist zwar eine Person, aber gemeint sind mit diesem Prozess doch wir alle, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen. Wir sollen abgeschreckt werden. Um zu zeigen, dass das nicht funktioniert und wir solidarisch zusammenstehen, haben wir entschieden, dass die angeklagte Person, wenn dann nur mit mir zusammen auf der Anklagebank sitzt“ erklärte sie. Erst auf persönliche Intervention der Richterin durfte das Duo die Einlasskontrolle passieren und auf der Anklagebank neben der Laienverteidigung Platz nehmen.
Bevor Amtsrichterin Zieschang die Beweisaufnahme schloss,wurde ein Befangenheitsantrag als unbegründet abgelehnt.
Die Staatsanwältin forderte in ihrem Plädoyer acht Monate Haft ohne Bewährung, weil wegen der Blockade der Kohlebahn, ein 600-MW-Block komplett vom Netz genommen werden und ein weiterer gedrosselt werden musste. Dadurch sei ein Schaden in Höhe von 1,419 Millionen Euro, mindestens aber in einem großen sechsstelligen Bereich entstanden und der Tatbestand der Störung öffentlicher Betriebe erfüllt. Die Aktion habe nämlich nicht zur Ersparnis von CO2-Emmissionen geführt, wie von der Verteidigung im Prozess dargelegt, denn der Strom sei von anderen Anbietern eingekauft worden, erklärte die Staatsanwältin der staunenden Zuhörerschaft. Außerdem habe die angeklagte Person sich des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte schuldig gemacht, weil die Person mit Hammer und Meißel aus dem Lock-On befreit werden musste und so die Arbeit der Polizei behindert habe. Da die angeklagte Person diese „politisch motivierte Symboltat“ vor Gericht mit gerechtfertigt habe und deshalb davon auszugehen sei, dass sie weitere Straftaten begehen würde, könne die Haftstrafe auch nicht zur Bewährung ausgesetzt werden.
Zwischenzeitlich rollten zwei Rollifahrer*innen in den Gerichtssaal. „Klima schützen ist kein Verbrechen“ prangte auf einem selbstgemalten Blatt, das an dem Rollstuhl befestigt war.
Die Verteidigung, die an den vorherigen Prozesstagen zahlreiche Beweisanträge zur Notwendigkeit des Widerstandes im Angesicht der Klimakrise gestellt hatte, forderte Freispruch und berief sich auf den übergesetzlichen Notstand. Schließlich seien der Gesellschaft durch die Aktion keinerlei Schaden, sondern Nutzen entstanden. In Anbetracht der fortschreitenden Klimakrise sei das Strafrecht keine adäquate Antwort darauf.
Die angeklagte Person zeigte sich davon unbeeindruckt. Sie könne das Plädoyer der Staatsanwältin nicht ernst nehmen. Menschen, die sich aktiv für den Klimaschutz einsetzen, handelten im Interesse aller, erklärte mensch in einem kurzen Schlusswort (Letztes Wort als pdf zum Nachlesen). Doch auch in Lützerath sei von Gewalt gesprochen, nur weil sich Menschen aktiv gegen den Abbau der Braunkohle zur Wehr gesetzt haben, tatsächlich sei die Gewalt jedoch meist von der Polizei ausgegangen.
Die Richterin toppte das Plädoyer der Staatsanwaltschaft noch und verhängte 9 Monate ohne Bewährung. Es läge keine günstige Sozialprognose vor, weil Wiederholungsgefahr bestehe. Es gäbe kein Recht auf Widerstand, statt Straftaten zu begehen hätte die angeklagte Person alle legalen Mittel ausschöpfen müssen. Wenn sie straffrei bliebe, liefe das auf eine Selbstaufgabe des Rechtsstaats hinaus, begründete die Richterin ihr Urteil, was im Zuhörerraum für lautstarken Protest sorgte.
Gegen das Urteil sind noch Rechtsmittel möglich – es geht dann also irgendwann am Landgericht weiter. Gegen eine weitere Person, die auch in dem BlockNeurath-Kontext angeklagt ist, soll am 15.5. verhandelt werden.