Alles in der Regel meist wahrscheinlich auch etwa so

Es sind so Tage wie dieser, an denen sich am Ende vermutlich 100 % aller Beteiligten fragen, was das nun sollte. Das 3. Strafverfahren in Grevenbroich vor dem Amtsgericht wegen #blockneurath ist im Grunde eine Farce: Alle wissen, was rauskommen wird, allen Beteiligten ist klar, dass das Urteil mit einer Berufung angegriffen werden wird. Wie immer, werden am Einlass die Ausweise aller Zuschauer*innen kopiert. Die Richterin ist, falls das überhaupt noch möglich war, noch weniger an einer Aufklärung des Sachverhalts interessiert als in den vorherigen Verfahren. Die Videos laufen wie auch schon in den Verhandlungen zuvor wegen Problemen mit den Dateien nicht oder nicht komplett. Und der Richterin ist (obwohl sie absehbar zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilen wird) weiterhin vollkommen egal, dass die Anwältin der Angeklagten auch an diesem Verhandlungstermin nicht konnte, weil sie andere Verhandlungen hatte.

Vernommen wurde eine Polizistin und auch ihre Aussage war eine Farce. Die erläuterte, wie sie „in der Regel“ bei solchen Einsätzen vorgehe, was dort „meist“ gemacht werde, dass es deswegen im vorliegenden Fall „wahrscheinlich auch etwa so“ gelaufen sei. An die angeklagte Person konnte sie sich nicht erinnern und auf die Frage, ob die Aktivist*innen aufgefordert worden seien zu gehen wiederholte sie mehrfach, das würde „in der Regel immer gemacht“. Auch zum Aufbau der Ankettkonstruktionen wusste sie mitzuteilen, wie ihre Erfahrung aus vorherigen Einsätzen sei und es deswegen „da wahrscheinlich auch etwa so“ gewesen sei. Es ist eine Sache, dass Polizeizeug*innen vor Gericht dauernd lediglich den üblichen Normalablauf schildern und erst auf Nachfrage einräumen, sich konkret überhaupt nicht zu erinnern. Eine andere Sache ist der Umgang von Staatsanwältin und Richterin damit. Doch beiden Juristinnen war das offenkundig recht egal und so blieb es am Laienverteidiger und der Angeklagten selbst hängen, minutiös nachzufragen, was denn nun „üblicherweise“ und was konkrete Erinnerung sei. Und – wen wundert’s – am Ende blieb von den Schilderungen im Grunde nur übrig, dass es eine Schienenblockade gab bei der ein Mensch im E-Rollstuhl weggetragen wurde und der Einsatz erst im Dunkeln endete.

Vorher hatte sie auf dem Gerichtsflur noch mit einem Kollegen geredet und den polizeilichen Kurzbericht gelesen, doch auch dafür interessierte sich die Richterin nicht. Im Gegenteil verbot sie der Verteidigung zahlreiche Fragen. Unter anderem sogar die Frage nach dem Namen des Zugführers der Polizeizeugin, der die Versammlung angeblich aufgelöst haben soll. Laut Aussage der Zeugin verhielte es sich nämlich so, dass Polizist*innen quasi keine Fehler machen würden und je hochrangiger sie seien, desto noch-weniger Fehler würden sie machen. Das Lachen im Publikum über Absurditäten wie diese wurde natürlich sofort ermahnt.

Einen amüsant-bemerkenswerten freudschen Versprecher lieferte die Zeugin noch, als sie im Rahmen der Erläuterung, was sie „halt immer so mache“ sagte, ihr Vorgehen sei stets gleich, „unabhängig davon, ob es Klimaaktivisten oder Straftäter“ seien, die sich vor sich habe.

Und dann lieferte sie noch einen beeindruckenden Beleg dafür, dass es noch ein weiter Weg ist bis die Existenz nicht-binärer Körper in den Köpfen Uniformierter ankommt: Sie erläuterte, dass Durchsuchungen von gleichgeschlechtlichen Menschen durchgeführt würden und dass es dabei darauf ankäme mit welchen Geschlechtsorganen die Person geboren worden sei. Und dass sie in der Lage sei, das zu sehen.

Gegen Ende ihrer Vernehmung wurde der Zeugin dann noch von der Verteidigung erläutert, dass „Befreiung“ doch ein reichlich skurriles Wort sei für den Vorgang, Menschen in einen Gefangenentransporter hinein zu zwingen. Und dann ließ uns die Zeugin noch an ihrer Auffassung teilhaben, dass sie auch fürs Klima sei, aber…. (wir ersparen euch den Rest).

Und so blieb das bunteste dieses Tages die Kreide vor dem Amtsgericht, denn die Solikundgebung vor dem Gebäude verschönerte den Fußweg.

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