Am 24. November ging es weiter im Strafverfahren um die Kohlekraftwerksblockade Neurath im November 2021. Weil die bisher vernommenen Zeug*innen in der Verhandlung am Landgericht Mönchengladbach wenig bis keine Erinnerungen an die konkret vorgeworfene Ankettaktion hatten, entschied sich die vorsitzende Richterin Flecken drei weitere Zeugen anzuhören. Doch bevor es dazu kam, mussten zunächst alle Zuschauer*innen zwei umfangreiche Einlasskontrollen über sich ergehen lassen, heute sogar inklusive Schuhe ausziehen.
Der erste Zeuge, nennen wir ihn den „Wir-normalerweise“-Zeugen, ist ehemaliger Leiter der technischen Einheit und betonte was er „sehr wahrscheinlich“ getan habe. Er beschrieb beispielsweise, dass die Polizei Ankettaktionen wie diese nicht räumen würde, ohne dass zuvor die Versammlung aufgelöst worden sei. Konkrete Erinnerungen an versammlungsrechtliche Maßnahmen bezogen auf den konkreten Fall hatte er hingegen garkeine.
Der Zeuge redete dabei stets von sich im Plural, berichtete, was „wir“ alles so getan hätten. Die Anwältin der angeklagten Person fragte ihn dann auch irgendwann, ob die Polizei im Chor spräche. Und nicht nur das eigene Handeln schien er als Kollektivhandeln zu betrachten, auch von den Aktivisten oder „Störern“ von denen er berichtete wusste er „die sperren sich natürlich gegen die Maßnahmen“. Konkrete Erinnerungen an die vorgeworfene Tat jedoch auch diesbezüglich: Fehlanzeige.
Die Lieblingsvokabel des zweiten Zeugen, ebenfalls von der technischen Einheit, war „vermutlich“. Er konnte sich ebenfalls nicht konkret erinnern, aber wusste zu berichten, was alles so „Gang und Gäbe“ oder eben „das grundsätzliche Prozedere“ sei. Auch an Schreie erinnerte er sich und sagte, „generell“ habe es die gegeben.
Als drittes kam dann der „Eigentlich“-Zeuge. Er war an mehreren Lösungsvorgängen am damaligen Aktionstag beteiligt, sprach von zwei Betonblöcken und einer Armröhre, die er an dem Tag geöffnet habe. Wie genau es jedoch an dem Ort aussah um den es in dieser Verhandlung geht beantwortete er mit „eigentlich“ und „ich meine“. Auf die sichtlich genervten Ansagen, er solle nur sagen, was er weiß, reagierte er dann schließlich mit dem Satz „Dann weiß ich es nicht mehr“. Erinnerungen ob und wie viele Personen außenrum standen zur Unterstützung der angeketteten Personen hatte er beispielsweise nicht. Aber „eigentlich“…
Insgesamt also ein Verhandlungstag mit drei Angehörigen der technischen Einheit, die bemüht waren zu betonen, wie es normalerweise, vermutlich und eigentlich zu laufen habe, zum konkreten Vorwurf aber wenig beitragen konnten. Bezeichnend war zu erleben, mit welcher Selbstverständlichkeit Polizist*innen auf konkrete Fragen mit grundsätzlichen Ausführungen antworten. Sie vermittelten den Eindruck, als sei das vollkommen normal. Wären nicht seitens der Verteidigung zahlreiche Nachfragen gekommen, die dann aufzeigten, dass sich alle Zeugen an „eigentlich“ nichts erinnerten, wären die Polizisten mit ihrer Strategie vielleicht sogar durchgekommen. Wahrscheinlich kommen sie sehr oft damit durch.
Fortsetzungstermine sind am 14. und 18.12. jeweils um 9.30 Uhr.