BlockNeurath: Auf Blockade statt im Gericht

Zwei Menschen sitzen vor Transparent "Put rwe in chains - so we dont hae to" mit Rohr zwischen sich, beide haben ein Arm in einem RohrKurz nach 10 Uhr am 28.11.23 vorm Kohlekraftwerk Neurath: Etwa 15 Menschen begeben sich auf die Hauptzufahrt des Kohlekraftwerks Neurath, ausgestattet mit Plastikrohren und Bannern gegen Kohlekraft und Repression. Aktive von „BlockNeurath“ und solidarische Unterstützer*innen haben sich heute entschieden, vor das Kraftwerk statt zum Gericht zu ziehen, da hier weiter dreckige Kohle verbrannt wird und Laufzeiten sogar verlängert statt verkürzt werden sollen. Die Angeklagte meint dazu: „Es ist wichtiger, weiter gegen Kohle aktiv zu sein als sich von einem Gericht anzuhören, dass wir alle eingesperrt gehören“.
Binnen weniger Minuten ist die Zufahrt dicht, LKW stehen und wollen rein bzw. raus aus dem Kraftwerk. Die RWE-Mitarbeiter und die Anlieferer sind empört: „Das ist doch nicht wahr“. Dann jedoch entspannt sich die Situation, die Blockade steht und RWE leitet den Verkehr um und sperrt sogar selbst die Zufahrt mit Pylonen. Nach ungefähr einer halben Stunden taucht auch mal ein Polizeiauto auf, ein Polizist fragt halbherzig nach einer Versammlungsleitung, bekommt keine Antwort und zieht sich erst mal wieder zurück.

Blockade vorm Kohlekraftwerk Neurath, drei Transparente, Kraftwerk mit RWE-Logo im Hintergrund

11 Uhr: Die Blockade steht, im Amtsgericht wird der Prozess um BlockNeurath gegen eine Angeklagte fortgesetzt. Die Verteidigung erklärt, dass die Angeklagte in der Energiestr. 101 vor dem Kohlekraftwerk Neurath zu finden sei, die Richterin verhandelt dann in Abwesenheit der Angeklagten. Es wird auf einen Antrag der Verteidigerin, die letztes Mal erkrankt war, die Beweisaufnahme wieder eröffnet. Zwei weitere Beweisanträge, unter anderem dazu, dass keine milderen Mittel existieren um die Klimakrise aufzuhalten als eben Blockaden und dass die Streckensperrung nicht auf Grund von Blockadeaktionen erfolgte wurden eingereicht. Es gibt eine Pause zur Entscheidung der Anträge.

11.15 Uhr vorm Kraftwerk: Alle haben es sich trotz der Kälte gemütlich gemacht, die erste Presse schaut vorbei und auf der Blockade wird Bananenbrot gegessen. Die Transparente mit Sprüchen wie „Put RWE in Chains so we don’t have to“, „Klimagerechtigkeit verteidigen – zusammen gegen Repression“, „Klimakrise löschen – Knäste abfackeln“ verkünden den zahlreich vorbeifahrenden Fahrzeugen deutliche Botschaften. Die Reaktionen sind unterschiedlich. Pressemenschen kommen vorbei und machen Fotos bzw. Videos, wollen jedoch nicht mit den Aktivist*innen reden.

11.30 Uhr: Im Gericht endet die Pause, alle Anträge werden – wie bisher – als ohne Bedeutung für das Verfahren abgelehnt, die Beweisaufnahme wird geschlossen und die Staatsanwältin beginnt ihr Plädoyer. Dabei stellt sie mehrere Sachen als Tatsachen fest, obwohl es entgegengesetzte Beweisanträge der Verteidigung gab, beispielsweise dass der entstandene Schaden im höheren 6-stelligen Bereich liege und es keine eingesparten CO2-Emissionen gäbe, da sie durch andere fossile Kraftwerke übernommen wurden. Der RWE-Zeuge hatte dies jedoch nur gemutmaßt, Anträge die die Aussage fundiert widerlegten wurden als bedeutungslos abgelehnt. Auf andere eingesparte Schadstoffe geht die Staatsanwältin erst gar nicht ein. Der eine Polizeizeuge sei besonders glaubwürdig, weil er sich noch an seine Mittagsverpflegung erinnern würde. Bemüht erklärt die Staatsanwältin dann, dass in der Erschwerung der Räumung Gewalt und damit ein Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte liegen würde. Widersprüchlich zum Schaden meint sie, es handele sich um eine rein politisch motivierte Symboltat. Natürlich sieht sie auch keine günstige Sozialprognose für die Angeklagte und zitiert aus deren Einlassung, dass das einzige, was zu bereuen wäre, ist, dass es niemand bisher geschafft hätte, das Kraftwerk komplett gebrauchsunfähig zu machen. Sie fordert 8 Monate Haft ohne Bewährung.

12 Uhr: Vor dem Kohlekraftwerk Neurath gibt es großes Gelächter als für 15 Personen ungefähr 10 Wannen der Polizeihundertschaft aus Bonn anrücken – ein gutes Betreuungsverhältnis. Einige der Polizist*innen stellen sich vor der Blockade auf, dann passiert erst mal wieder nichts – bis dann schließlich ein Kommunikationsexperte der Polizei kommt und versucht witzig zu sein: „Haben Sie schon gemerkt, dass Sie eine Straße blockieren?“ Eine verantwortliche Person findet sich natürlich weiter nicht, die Cops halten es für möglich, dass da Straftaten begangen werden, sind sich jedoch nicht sicher und müssen erst mal beraten, bevor sie überhaupt irgendwas sagen können – zwei Stunden nach Beginn der Aktion.

4 große Polizeiwannen hintereinander, im Hintegrund Kohlekraftwerk und klein Menschen von Blockade

Im Gericht hält währenddessen die Verteidigerin ihr Plädoyer und erklärt, was die Öffentlichkeit bisher an Beweisanträgen der Verteidigung verpasst hat (da diese nur schriftlich gestellt werden durften): „Wenn es in diesem Prozess eine Beweisaufnahme wie von der Verteidigung beantragt gegeben hätte, dann hätten wir uns mit den Fragen auseinandergesetzt, was es bedeutet, dass die globale Erwärmung eine Ursache für den Tod von Menschen ist, dass die globale Erwärmung eine Ursache dafür ist, dass Menschen krank werden, dass die globale Erwärmung ganz konkret Menschen tötet sowie ihnen die , wie es juristisch so schön heißt „öffentliche Versorgung mit Licht und Kraft entzieht“, zum Beispiel indem zum Zeitpunkt der Aktion in Nordamerika ein Hurrikan-Sturm gewütet hat, der zwei Menschen getötet hat, und 200 Millionen US-Dollar Sachschaden verursacht hat. Doch all diese Vorbringen seien bedeutungslos. Aus Sicht der Verteidigung sind sie es nicht, denn sie belegen das Vorliegen eines Notstands.“ Es geht dann weiter darum, dass es eben keine milderen Mittel gibt zur Abwehr dieses Notstands als eben Blockaden und wie diese wirksam seien und darum wie das Gericht Anträge immer wieder vollkommen am Thema vorbei abgelehnt hat und eine Beweisaufnahme zu relevanten Fragen verweigerte. Dann wird noch erklärt, warum so auch der Vorwurf der Störung öffentlicher Betriebe nicht erfüllt ist und dass die Angeklagte freizusprechen sei.
Am Ende richtet die Verteidigerin noch von der Angeklagten aus: „Ich habe mich heute entschieden, nicht im Gericht zu sein, sondern da wo es wichtiger ist: Vorm Kohlekraft Neurath. … Dafür, dass wir saubere Luft atmen können und diese Erde für uns und künftige Generationen bewohnbar bleibt. Und weil wir diesen Staat und unsere Angst vor seinen Institutionen nur überwinden, wenn wir aktiv bleiben, unabhängig davon welch abschreckendes Urteil hier heute wieder verkündet werden soll.“ Direkt im Anschluss wird der Prozess um 12.20 Uhr auf den 19.12.23 um 11 Uhr vertagt.

Stofftierhamster mit Gefangenkleidung und KugelUm 12:30 Uhr kommt diese Nachricht auf der Blockade vorm Kraftwerk an, es wird zusammen gepackt und die Menschen wollen die Blockade beenden. Aber wie es so ist, muss die Polizei mal wieder beweisen, dass sie doch die besten im Blockieren sind und kesselt erst mal alle auf der Einfahrt zum Kraftwerk und hindert sie daran zu gehen – ohne zu wissen, was sie wollen. Manchmal heißt es sie wollen Personalien von allen, dann sollen wieder alle gehen dürfen. Am Ende heißt es: Nein, wir wollen nur von einer Person Personalien – ganz zufällig von der einzigen Person, die sie als PersonOfColor lesen. Vorgeworfen wird Vermummung, dabei haben zahlreiche Menschen, Polizist*innen wie Aktivist*innen Schals und Schlauchtücher zum Schutz gegen die Kälte an. Ob Rassismus vorliege, ließe sich dann später mit Anwalt vorm Gericht klären, erklärt der Kontaktpolizist schließlich. Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack, als um 13 Uhr alle aufbrechen können.

Etwa 30 Polizist:innen stehen um eine kleine Gruppe Aktivist:innen vor der Kulisse der Kraftwerkskühltürme

Insgesamt gibt es wohl noch weitere spannende Aktionen rund um die BlockNeurath-Prozesse zu erwarten, wir freuen uns immer über solidarische Aktionen. Nächste Verhandlungstage sind am 14. und 18.12. vorm Landgericht Mönchengladbach (jeweils 9.30 Uhr Prozessbeginn) und am 19.12. um 11 Uhr am Amtsgericht Grevenbroich – vermutlich diesmal mit einem Urteil.

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