Erste Verhandlung wegen BlockNeurath – weiter geht‘s am 31.1.23

Bereits vor Beginn des Prozesses trafen sich viele Unterstützer*innen vor dem Gericht zum gemeinsamen Frühstück. Auch einige Pressevertreter*innen waren anwesend, die mit Interviews versorgt wurden. Mit zahlreichen Transpis wurde außerdem der schmale Platz vor dem Gericht verschönert, auch die direkt gegenüberliegende Polizeiwache erhielt eine kleine Verbesserung ihrer langweilig-grauen Erscheinung.

Um 10.30 Uhr begann der Einlass ins Gerichtsgebäude mit Durchleuchtung der Taschen und Abgabe von Notebooks und Smartphones für Besucher*innen. Personalien mussten nicht angegeben werden, allerdings waren auch nur zehn Besucher*innen zugelassen, darüber hinaus fünf Pressevertreter*innen.

Um 11 Uhr startete der Prozess, eine beantragte Wahlverteidigung wurde zugelassen mit einem herablassenden „Wir probieren es mal“ durch die Richterin. Der anschließende Antrag auf Verlegung in einen größeren Saal wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Prozess bereits im größten Saal des Amtsgerichts stattfinde und die Öffentlichkeit hinreichend hergestellt sei. Immerhin erhielten angeklagte Person und Verteidigung aber ihre Laptops zurück, wenn auch nicht ohne den Hinweis der Richterin auf das Verbot des Mitschnitts der Verhandlung. Der Beschluss über den Widerspruch gegen die Einlasskontrollen wurde widersinnigerweise auf das Ende der Verhandlung vertagt – bis heute gibt es keine Entscheidung.

Die anschließende Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft umfasste eine kurze Beschreibung der Ereignisse, die Blockade der Nord-Süd-Bahn sowie die daraus folgende Betriebseinstellung der Bahn, welche eine Leistungsreduktion des Kraftwerks Neurath notwendig machte. Daraus resultierten aus Sicht der Staatsanwaltschaft die Anklagepunkte der Störung öffentlicher Betriebe sowie Widerstand beim Räumen der Blockade. Der engagierte Vortrag des Staatsanwalts führte zu wiederholtem Beifall aus dem Publikum, den die Richterin allerdings rasch mit der Drohung unterband, applaudierende Personen des Saales zu verweisen.

Auf die Anklageschrift folgte die bewegende Einlassung der angeklagten Person, in der die Blockade in den Kontext der Klimakatastrophe gestellt wurde. Da das Gericht die Wiedergabe des Videos eines Aktivisten verweigerte, wurde in mündlichem Vortrag auf Überschwemmungen und Ernteausfälle im Globalen Süden, insbesondere in Peru und Uganda Bezug genommen, unterfüttert mit eigenen Erfahrungen der angeklagten Person.

Die Richterin unterbrach den Vortrag nach wenigen Minuten mit der Begründung, dies habe nichts mit dem Prozess zu tun, ihr sei das alles „hinreichend bekannt“, was bei Erklärungen zu Wetterphänomenen wie El Niño zumindest heißen würde, dass sie sich ausführlich mit dem Klima auseinander gesetzt hätte. Ob sie das hat oder sich einfach nur nicht interessierte?

Beim Antrag die Aktenvollständigkeit herzustellen und tatsächlich alle von der Polizei gefertigten Videos zur Akte zu nehmen, offenbarte der Staatsanwalt „Ich kenne die Akte ja nicht“, der Richterin war das egal, der Prozess wurde fortgesetzt.

Es folgten mehrere Zeugenvernehmungen. Der erste Polizeizeuge kam im Freizeit-Military-Look und erklärte, dass er bei der Wasserwerferwagensondergruppe der technischen Einsatzeinheit (TEE) Wuppertal arbeite, einer von den drei Gruppen der TEE, die anderen sind für Technik „Handwerker“für die direkte Räumung und für Funktechnik und Befehlsstellen zuständig (IOK). Der Zeuge hatte bei der Aktion Protokoll geführt über die „kostenpflichtige Amtshandlung einer Blockade“, hatte selbst jedoch keine Ahnung von Lock-Ons. Brav schrieb er alles ins Protokoll, zudem er angewiesen wurde, konnte sich sonst jedoch nicht mehr an viel erinnern. Zusammen mit dem Zeugen wurden dann noch Videos geschaut, mangels technischer Fähigkeit nicht am großen Bildschirm für alle, sondern die Öffentlichkeit ausschließend nur am Richter*innen-Tisch. Die angeklagte Person beschrieb zum Glück für das Publikum, was zu sehen war, unter anderem eine Person die einen Rucksack erst einpackte, der dann von der Polizei ausgepackt wurde, um dann erneut eingepackt zu werden. So lassen sich Blockaden auf Schienen auch in die Länge ziehen.

Der nächste Zeuge war damals der Kraftwerksleiter von Neurath. Er beschrieb, dass RWE vorab von der Aktion erfahren habe durch Ankündigungen in der Presse und die Anreise der „Herrschaften“ – deshalb war der Kohelbunker auf dem Kraftwerksgelände in der Nacht vorher vollgemacht worden. Er erklärte, dass nach Aktionsbeginn früh morgens dann mittags die Blöcke in den Schwachlastbetrieb gefahren wurden und gegen 18 Uhr entschieden wurde, einen Block komplett auszuschalten um die Kohlevorräte weiter zu strecken. Nach Ende der Blockade wurde mit dem Krisenstab zusammen entschieden, dass erst ein Vorrat von 6000 Tonnen Kohle im Kohlebunker sein musste, um das Kraftwerk wieder komplett hochzufahren – was erst am nächsten Vormittag der Fall war, die Zuglogistik war wohl erst ein bisschen überfordert. Fragen der angeklagten Person zum konkreten CO2-Ausstoß des Kraftwerks unterband die Richterin „tut nichts zur Sache“.

Der Richterin hätte es an dieser Stelle schon für eine Verurteilung gereicht, sie wollte die Zeugenvernehmung beenden, der Staatsanwalt wies darauf hin, er müsse seinen Sohn vom Kindergarten abholen. Die Verteidigung bestand auf die Vernehmung der weiteren Zeugen, eine Pause wurde ihr jedoch verweigert, nur kurz gelüftet.

Weiter ging es mit einem Zahlenbürokraten von RWE, der den Schaden der Aktion berechnet hatte. Er erklärte wie er auf die Zahl von 1,4 Millionen Euro kam mit Produktionsausfall und eingesparten Kosten, unter anderem für die nicht benötigten CO2-Zertifikate. RWE musste den nicht produzierten Strom am Strommarkt spontan dazu kaufen, um die vor 3 Jahren geschlossenen Verträge zu erfüllen. Zu sehen gab es diese Verträge natürlich nicht. Nach einigen Fragen der Verteidigung wurde er aggressiv und kam in Fahrt, hörte gar nicht mehr auf sich aufzuregen, darüber dass solche Aktionen doch auch kein CO2 sparen würden, die Emissionen würden dann nur woanders ausgestoßen. Noch während der Vernehmung warf dann die Richterin auch eine Person aus dem Publikum raus, weil sie lieber unkommentiert weiter machen wollte.

Die Verteidigung wollte eine Pause zur Stellungnahme zu dem Zeugen, die Richterin meinte dazu, dann würde der andere Zeuge nicht mehr gehört. Unter diesem Druck ging es mit dem letzten Zeugen an dem Tag weiter, einem Polizisten der Bereitschaftspolizei aus Recklinghausen (5.BPH). Dieser wusste genau zu beschreiben, wie die Menschen sich fest gemacht hatten, auch wenn er das nicht gesehen hatte: Sie hätten ihre Arme unter dem Gleis verschränkt, ein Rohr drüber gestülpt, darüber Beton gegossen und dann noch Nägel reingesteckt. Weil die angeklagte Person aus Berichtssicht „zwei Kratzer am Arm“ (auf Fotos war eher eine tiefer gehende Fleischwunde zu sehen) hatte, hätte er einen RTW (Krankenwagen) gerufen und die Sanitäter dort um die Prüfung der Haftfähigkeit gebeten. Diese hätten die angeklagte Person für gewahrsamsfähig erklärt. Auf Nachfragen ergab sich, dass die Sanis weder die Wunde versorgt noch die Gewahrsamsfähigkeit bescheinigen konnten, da sie für beides formal ein Medizinstudium gebraucht hätten. Sie hatten darauf hingewiesen, dass die Wunde zeitnah gereinigt werden müsste von einem*r Arzt*Ärztin. Gesa (Gefangenensammelstelle) statt Krankenhaus war dann seine Entscheidung. Auch sonst konnte sich der Polizist nur vorstellen, dass alles rechtmäßig wäre, was die Polizei dort vor Ort tat.

Nach der Vernehmung gab es noch eine kurze Diskussion, weil die Richterin meinte, an dem Tag fertig zu werden, die Verteidigung noch zahlreiche Anträge ankündigte und die Richterin kommentierte: „Das werden wir ja sehen“. Dann gab es doch endlich die Pause für die Verteidigung. Nach der Pause gab es einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin, welche sich weigerte, die angeklagte Person mit richtigem Pronomen anzureden (also nicht das weibliche Pronomen zu benutzen) und weil sie eine Verteidigung unterbinden wolle und heute fertig werden wolle. Der Prozess wurde schließlich auf den 24.1.2023 vertagt.

Am 24.1.2023 stellten dann angeklagte Person und Unterstützer*innen vor Ort fest, dass der Termin aufgehoben worden war, weil noch nicht über den Befangenheitsantrag entschieden wurde. Stattdessen geht es nun am 31.1. um 11.15 Uhr weiter, an dem ursprünglich gegen eine andere Person wegen gleicher Anklage verhandelt werden sollte.

Auf geht‘s in die nächste Runde am Amtsgericht Grevenbroich!

Ein Gedanke zu „Erste Verhandlung wegen BlockNeurath – weiter geht‘s am 31.1.23

  1. Ich war da in Grevenbroich um zu unterstützen und zu zeigen “ Du bist nicht allein, ihr seid nicht allein“! Es ist für mich immer noch unfassbar, das ihr Euch rechtfertigen und erklären müsst für etwas, das in meinen Augen eine Notwendigkeit darstellt.Klimaschutz ist KEIN Verbrechen! Ihr seid diejenigen die unsere Welt und Lebensräume retten wollt. Ihr könnt sehr stolz auf Euch sein, denn ihr habt den Mut Euch einzusetzen für eine bessere Welt für uns ALLE!
    Vergesst nicht: Heute müsst ihr Euch zwar erklären, Euch rechtfertigen aber morgen schon seit ihr die Guten, wenn auch der letzte Zweifler verstanden hat, was ihr eigentlich die ganze Zeit für jeden von uns getan habt. Lasst Euch nicht unterkriegen, bleibt dran! Ihr seid nicht allein und unser aller Hoffnung! DANKE dafür!

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