BlockNeurath: Fortsetzung des Prozesses auf vielen Ebenen

Mahnwache vor dem Gericht in Grevenbroich mit Menschen, Transparenten und Pavillion. Im Baum ist oben eine Person mit Transparent "Stop all fossil fuels"Am 31.01. fand am Amtsgericht in Grevenbroich der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die erste angeklagte Person aus der BlockNeurath-Aktion statt. Auch an diesem Tag kam es nicht zu einer Verurteilung, sondern einer weiteren Vertagung auf den 14.02. um 13:15 Uhr. Auch hier wieder die herzliche Einladung, den Prozess solidarisch zu unterstützen, vorbeizukommen oder anderswo Aktionen gegen Kohle, Gas, Autobahnen und all die anderen Probleme zu machen!

Am ersten Verhandlungstag sah sich die Richterin, die keine Pausen gewährte, essentielle Vorschriften der Strafprozessordnung missachtete, die angeklagte Person immer wieder missgenderte und insgesamt einen eher herablassenden Umgang mit der angeklagten Person und deren Verteidigung pflegte, immer wieder mit Beanstandungen, Widerworten, Reinrufen aus dem Publikum und letztendlich einem Befangenheitsantrag konfrontiert. Offenbar änderte sie in der Zwischenzeit ihre Strategie, denn am 31.01. machte sie gleich zu Beginn eine 15-minütige Pause, um über eine weitere Beanstandung zu entscheiden. Diese enthielt u.a. eine Beschwerde darüber, dass Assistenzpersonen als Besucher*innen gezählt wurden, obwohl in dem Saal bei dem großen Presseaufgebot ohnehin viel zu wenig Sitzplätze für interessiertes Publikum zur Verfügung stehen.

Toilettenpapier beschriftet mit: "Wo Recht zu Ungerechtigkeit führt, wird Widerstand zur Pflicht" mit Anarchie-A

Toilettentür im Amtsgericht

Während dieser Unterbrechung waren es die Justizbeamt*innen, die sich lächerlich machten, weil sie Menschen daran hindern wollten, ihre Sitzplätze zu verlassen und am geöffneten Fenster zu stehen. Nach der Rechtsgrundlage für dieses Handeln gefragt, wussten sie keine bessere Antwort als „Ich diskutiere mit Ihnen nicht darüber!“. Schließlich musste ihnen die Staatsanwältin zu Hilfe kommen.

 

Nach dieser Pause folgte direkt die nächste Beanstandung und eine Stellungnahme seitens der Verteidigung zu einer Aussage des Staatsanwalts, der am ersten Verhandlungstag behauptet hatte, dass allgemeine Rechtsgüter grundsätzlich nicht notstandsfähig seien. Das konnten wir umfassend widerlegen anhand von Beispielen zum Tierschutz und der Sicherheit im Straßenverkehr. Weiter ging es mit Stellungnahmen zu den am ersten Verhandlungstag vernommenen Zeug*innen, die damals zu heftigen Diskussionen zwischen Verteidigung und Richterin geführt hatten.

Im Anschluss begannen, angeklagte Person und Verteidigung abwechselnd Beweisanträge zu verschiedenen Themen vorzulesen. Sie handelten davon, dass die Aktion im Rahmen einer Versammlung stattfand, von den Schäden, die der Klimawandel verursacht und davon, dass die Aktion mehrere 1000t CO2 eingespart haben muss, egal aus welcher Quelle der ersatzbeschaffte Strom kam. Auch die Verletzung, die die Polizei der angeklagten Person bei der Räumung zugefügt hatte, wurde erneut thematisiert.

Irgendwann wurde der Staatsanwältin die Luft zu dick und sie forderte eine Lüftungspause. Die dauerte dann auch direkt wieder 20 Minuten. Zu dem Zeitpunkt saß in dem Baum direkt vor dem Fenster des Verhandlungssaals eine Person, die dort reingeklettert war, ein Transpi hielt und mit einem Megafon Musik abspielte. Das sorgte für hektisches Hin-und-Herlaufen unter den Justizbeamt*innen im Verhandlungssaal und letztendlich wurden die Vorhänge zugezogen. Unter der Person im Baum, vor dem Gerichtseingang fand auch dieses Mal wieder eine solidarische Mahnwache statt – wegen des Regens diesmal mit Pavillon, aber nicht mit weniger guter Laune, Essen und Heißgetränken.

Person im Baum vorm Gerichtsgebäude mit Transparent "Stop all fossil fuels"

Plakat mit Kind drauf an einer Bushaltestelle mit angeklebter Sprechblase: "Das größte Kohlekraftwerk Deutschlands vor meiner Tür? Ein Grund für Widerstand!"Außerdem konnten an diesem Morgen an vielen Stellen in der Stadt Zettel gefunden werden mit Zitaten wie „Jeder hat soviel Recht, wie er Macht hat (Baruch de Spinoza, 1632-1677)“ oder „Man kann nicht jedes Unrecht gut, aber wohl jedes Recht schlecht machen (Marie von Ebner-Eschenbach 1880)“. Außerdem waren im Stadtbild vorhandenen Abbildungen von Menschen oder Gegenständen Sprechblasen angeklebt und damit Dialoge wie „Glaubst du eigentlich an Gerechtigkeit bei der Justiz?“ – „Spätestens seit der Verhandlung wegen der Kraftwerksblockade Neurath nicht mehr.“ in den Mund gelegt worden.

Plakat an einer Bushaltestelle mit angeklebter Sprechblasen (aus Plakat-Schild und Wecker auf Plakat): "Glaubst du eigentlich an Gerechtigkeit bei der Justiz?" - "Spätestens seit der Verhandlung wegen der Kraftwerksblockade Neurath nicht mehr."

Nach der Pause ging es dann mit zahlreichen Anträgen weiter, in denen die Wirksamkeit von Zivilem Ungehorsam, der tatsächliche Beitrag zum Klimawandel des Kraftwerks Neurath und auch dessen Ausstoß an Feinstaub, Schwefel- und Stickoxiden und deren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen in der Region thematisiert wurden. Auch die Tatsachen, dass nicht belegbar ist, ob das Schloss im Lock-On überhaupt zu war und dass die angeklagte Person nie dazu aufgefordert wurde, sich selbst zu befreien, wurden zu belegen beantragt. Zwischendurch gab es eine weitere Pause zum Lüften, nach der es mit thematisch ähnlichen Beweisanträgen weiterging.

Skizze der Richterin

Richterin

In der Zwischenzeit hatte die Presse den Saal verlassen und damit viele Sitzplätze freigegeben. Diese blieben aber leer, weil die Menschen, die rein wollten, am Gerichtseingang von den Justizbeamt*innen am Reinkommen gehindert wurden, mit der Begründung, dass es keinen Platz gebe. Das änderte sich erst, als dieser Vorgang durch die angeklagte Person beanstandet wurde. Nach einer weiteren Stunde verlesener Anträge gingen angeklagter Person und Verteidigung die Stimme aus, doch sie gaben nicht auf und lasen tapfer weiter, bis Staatsanwältin und Richterin feststellten, dass das ja heute eh nicht mehr fertig werde und die Richterin beschloss, die Verhandlung erneut zu unterbrechen, diesmal gleich für zwei Wochen. So geht es nun am 14.02. um 13:15 Uhr weiter.

Zwei Zitate mit Gerichtskritik auf Plakaten

 

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