Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach?

Bericht von einem Prozess in Grevenbroich am 11.5.2017

Nach dem vermutlich ‚bahnbrechenden‘ Urteil des Amtsgerichts in Erkelenz, in dem ein Freispruch in Sachen Hausfriedensbruch wegen mangelnder Umzäunung gegeben werden musste, war mensch natürlich sehr gespannt, wie das nächste Gericht, in einer anderen Stadt, sich dazu verhalten würde.
Um es vorweg zu nehmen: Zum Freispruch fehlte der vorsitzenden Richterin der Mut und zum Zurückziehen der Anklage der Staatsanwältin wohl die Erfahrung.

Zum Verlauf und den strittigen Punkten

Erstens: Der Angeklagte P. erneuerte seinen schon vor Monaten schriftlich gestellten , aber vom Gericht nicht beantworteten Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen eines unaufhebbaren Verfahrenshindernisses (so heißt das…). Konkret ging es um die Nicht-Einhaltung der Klagefrist (drei Monate). Der Punkt ist insofern
wichtig, weil davon auch viele andere Verfahren betroffen sind. Leider zeigte sich die Richterin an diesem Punkt ausgesprochen stur. Die Dreimonatsfrist gelte eben nicht nur so wie es im Gesetz (§123 StGB) stehe (vom Zeitpunkt der Tat), sondern vielmehr vom Zeitpunkt des Wissens um die konkrete Tat-Person. Erst dann könne ja Strafantrag gestellt werden. Dass die Polizeibehörden Monate brauchten, um die Akten hin- und herzuschieben, könne nicht RWE angelastet werden. Ein
lächelndes Basta!

Zweitens: Der Zeuge tritt auf. Ein Zeuge ist ein Mensch, der/die etwas gesehen oder gehört hat. Dazu muss er/sie an dem Ort des Geschehens gewesen sein. Dumm nur für die Anklage, dass dieser „Zeuge“ gar nicht vor Ort war, sondern nur „bezeugen“konnte, was seine Kollegen ihm erzählt haben. Uns war das in der Vorbereitung auf den Prozess schon aufgefallen, aber wir brauchten hier gar nicht selbst zu argumentieren, denn die Richterin übernahm die Befragung des „Zeugen“ und demontierte
selbst die Anklage bzw. Zeugenaussage. (Die Staatsanwälte schien etwas Wichtiges in ihren Papieren zu suchen und schaute deshalb sehr konzentriert auf den halben Quadratmeter ihres Tisches….). Eigentlich hätte an dieser Stelle schon ein Freispruch bzw. mindestens Einstellung des Verfahrens erfolgen müssen.

Aber: Drittens: Wir hatten einen Beweisantrag à la Erkelenz vorbereitet. Das schien uns unser Haupttrumpf zu sein, um alle Verfahren wg. Hausfriedensbruch 2015 latzen zu lassen. Aber nicht nur Gottes Wege sind seltsam (Achtung: Ironie!), sondern die der Gerichte erst recht. Die Richterin ergriff die Chance, die Peinlichkeit mit dem Zeugen nicht mehr zu Ende bringen zu müssen, sondern sich jetzt hinter einer vermeintlichen Objektivität zu verstecken: Sie habe von dem Urteil gehört, aber weder mit dem dortigen Richter gesprochen, noch andere für sie nachvollziehbare Beweise und Belege gelesen oder gefunden. Dazu müsse sie selbst eine/n Sachverständige/n vor Gericht laden. Jedenfalls könne sie auf diesem Wissensstand keinen Freispruch aussprechen. Sie machte also den fuchs-schlauen Vorschlag: entweder Einstellung des Verfahrens ohne Auflagen heute oder möglicher Freispruch nach Anhörung des Sachverständigen…..(Name eintrage bitte) bei einem nächsten
Verhandlungstermin, sie lockte also mit dem Spatz in der Hand…

In der vom Angeklagten beantragten Pause diskutierten wir heftig – am Ende mit dem Ergebnis: Wir wollen die Taube!

Und die kriegen wir hoffentlich am Donnerstag, dem 1.6.2017 um 13.00 Uhr, wieder in Grevenbroich. Und es wäre wunderbar, wenn wieder so viele Menschen kommen, um im Zuschauer*nnenraum für eine heimische Atmosphäre zu sorgen……

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