Input zu Repression auf der Strategiekonferenz (16.-18.06.23, Köln)

Input zu Repression auf der Strategiekonferenz

Dieser Vortrag wurde auf der Strategiekonferenz der Klimagerechtigkeitsbewegung Mitte Juni ’23 in Köln gehalten. Er entstand in Zusammenarbeit mehrerer Personen, die Antirepressionsarbeit für die Klimabewegung in den letzten Jahren geleistet haben (z.B. im EA, durch Begleitung von Prozessen etc.). Der Text versucht den Stand der Dinge bzgl. Repressionen zusammenzufassen und auf aktuelle Fragestellungen hinzuweisen.


Was heißt „Repression“? 

  • Unterdrückende Maßnahmen vom Staat durch Polizei und Justiz zur Aufrechterhaltung der Macht und Kontrolle.
  • kann jedoch auch weiter gefasst werden; Repression durch Unternehmen (RWE), Arbeitgeber:innen, Familie, Freundeskreis, strukturelle Gewalt
  • wirkt auch psychologisch: Angst vor Repressionen, Stress durch Repressionen, Geld ist ebenfalls ein sehr beliebtes Repressionsmittel
Ich werde im folgenden Versuchen exemplarisch einige Repressionsthemen zu umreissen. 
Ein Thema welches die Kimagerechtigkeitsbewegung seit Jahren beschäftigt ist Personalienverweigerung. Am Anfang war es auch sehr erfolgreich und Menschen konnten über Jahre der Repression teilweise entgehen, auch wenn Teile der Bewegung die Idee der Personalieverweigerung nicth immer supported haben. Auch der Staat begann auf die Personalienverweigerung zu reagieren mit neuen Gesetzten die längeren Gewahrsam ermöglichen, teils durch mehr körperliche und psychische Gewalt. Eine Erfahrung der letzten Zeit ist, dass verlängerter mehrtägiger Gewahrsam nach Aktionen des zivilen Ungehorsam aber teilweise wenn auch seltener auch nach Demos schon eher die Regel als die Ausnahme sind. 
Einige Beispiele dafür:
    
Das erste mir bekannte Mal von so deklarierter Langzeitgewahrsam lief nach einer Baggerbesetzung  mit 5 Tagen Gewahrsam unter dem Hashtag #Rheinland7 (2019), weitere  Fälle, bei denen jeweils etliche Aktivist*innen nach Baggerbesetzungen im Langzeitgewahrsam landeten, gab es bei der Aktionsgruppe „Gegenangriff“ 2021 und einer Baggerbesetzung von Extinction Rebellion. Von den Aktivist*innen von „Block Neurath“ verbrachten im November 2021 etwa 10 Menschen, denen vorgeworfen wurde, die Kohlezufuhr für das Kohlekraftwerk Neurath durch Ankettaktionen blockiert zu haben, 7 Tage  in Gewahrsam. Die Menschen der Autbahnabseilaktionen zur IAA in Bayern waren fast eine Woche in Gewahrsam und natürlich die Fälle der unfreiwilligen Feuerwehr 2022 wo der Langzeit-Gewahrsam in mehrmonatige U-Haft umgewandelt wurde. Es gibt auch immer wieder U-Haft-Fälle wenn auch oft aus anderen Gründen. Lützi U-Haft Fall einer Person mehrere Monate, Fynn aus dem Heibo um nur 2 Beispiele zu nennen. In den Verfahren rund um Block Neurath wurde bisher 1 Verurteilung zu 9 Monaten Knast ohne Bewährung gesprochen für eine Gleisblockade, also zivilen Ungehorsam. 
Wir müssen also damit rechnen, dass wir auch nach Zivilem Ungehorsam in längere Gewahrsam kommen. Ab und an kommt es auch vor, dass Menschen in U-Haft kommen. 
Das ist etwas worauf wir uns als Bewegung, als Gruppen und Einzelpersonen vorbereiten müssen. Und mein Eindruck ist wir sind nicht vorbereitet. Haben wir mit Kompliz*innen darüber geredet und einen Plan für den Fall der Fälle gemacht? Gibt es Solidarische Support Strukturen wie z.B ABC (Anarchist Black Cross) oder andere Strukturen für Menschen in U-Haft, ist Untertauchen eine Option, sind wir darauf vorbereitet?
Weitere Fälle die ich gerne einfach kurz erwähnen will:
    
Wer in der Umwelt- und Klimagerechtigkeitsbewegung aktiv ist, hat häufig nicht nur den Staat zum Gegner, sondern auch große Konzerne und sieht sich dabei immer wieder mal mit zivilrechtlicher Repression konfrontiert.Seit der ersten grossen Welle der Unterlassungserklärungen 2015 (über 200 Stück) wurden im Rheinland, aber auch in der Lausitz, viele Erfahrungen mit zivilrechtlicher Auseinandersetzung gesammelt. RWE verlangt immer häufiger von Aktivist*innen, die das Eigentum der RWE widerrechtlich betreten oder verletzt haben sollen, Unterlassungserklärungen zu unterzeichnen. Auch Vattenfall/LEAG haben dies schon von Aktivist*innen gefordert. Wir müssen uns davon nicht einschüchtern lassen, aber es wichtig dass wir auch gute Beziehungen zu solidarischen Anwält_innen haben die sich mit Zivilrecht befassen, hier gibt es noch grosse Leerstellen. Repression kommt sehr oft erst sehr lange nach der Aktion auch dafür brauchen wir stablie langfristige solidarische Strukturen.
Wir sehen zunehmend mehr Repression gegen Demo Sanitäter_innen teilweise auch mit Hausdurchsuchungen und Androhung ihre Qualifikationen ihnen abzuerkennen.
Im letzten Jahr fanden viele Räumung von (Wald-)Besetzungen wie Heibo, Fecher, Steini, Lützi statt und der Eindruck, ist dass die Räumungen kürzer gehen, gewalttätiger werden und die Repression in Fällen wo wenig Oeffentlichkeit ist stärker ist. 
Und last but not least die Fälle rund um die Letzte Generation rund um die Paragrafen 129, wo es zu Hausdurchsuchungen, Gewahrsam und offenen Verfahren und den Anschuldigungen von Gründung einer Kriminiellen Vereinigung geht. Wie können wir uns davor schützen? Macht es Sinn Dinge weniger transparent und wenig hierarchisch zu gestalten? Oder sind das Risiken die wir eingehen wollen? Was können wir von der kurdischen Bewegungen lernen die sich schon lange mit diesem Thema rumschlägt?
Es gibt noch hunderte anderer Fälle, das nur eine kleine Auswahl. 
Das Thema Versammlungen, Camps und Demo-Anmeldungen ist ebenfalls ein Thema der Bewegungen.
Mit immer mehr neue Polizeigesetzen die z.B immer öfter Kontrollen auf dem Weg zur Demo zulassen, in NRW weisse Anzüge zu verbieten etc, dabei stellt sich immer mehr die Frage was bringt uns denn eine Anmeldung? Gefühlt werden Versammlungsbehörden immer unkooperativer. Auch da wäre es wichtig neue Strategien sich auszudenken und auszuprobieren. 
Wir müssen also flexibel bleiben: Wie reagieren wir auf die Veränderungen? Wo agieren wir bereits vor der Verschärfung der Repression? Ich habe viel darüber geredet, wie der Staat reagiert, aber auch wir haben Handlungsmöglichkeiten, wir können Aktionen so planen, dass wir uns nicht erwischen lassen, wir können untertauchen, wenn der Staat versucht mit Repression zu reagieren, wir können gegenseitig solidarisch versuchen Befreiungsaktionen zu machen. Wie können wir vermehr Repressionsbehörden und Organa angreifen und dies als Teil des Kampfes für Klimagerechtigkeit sehen? Wir können versuchen nicht nach ihren Spielregeln zu spielen?
Ebenso wichtig ist es sich bewusst zu sein, dass natürlich Repression noch ganz andere Ebenen hat, Repression die Menschen auf Grund von Rassifizierung, Aufenthaltsstatus, Sexarbeit, Transidentität, Wohnungslosiggeit oder Drogenkonsum erleben. In der Klimagerechtigkeitsbewegung heisst es oft dass wir MAPA Most affected people and areas, also am meisten Betroffene Menschen und Orte in den Mittelpunkt stellen müssen. Auf Repressionbezogen bedeutet dass auch zu sehen, dass z.B rassifizierte Menschen oft auch ganz ohne ihr eigenes zu tun, wie z.B zu entscheiden an einer Aktion teilzunehmen, starker Repression, und Gewalt, bis zum Tod ausgesetzt sind. Wenn Menschen die auf Grund von Sprache, Papieren oder Aeusserlichkeiten rassifiziert und marginalisiert werden an Aktionen teilnehmen, ist das  Risiko für Gewalt, Gewahrsam und U-Haft oder Abschiebeknast für sie sehr viel höher als für andere. Wie solidarisch sind wir dabei mit den Menschen? Wie gut sind wir darauf vorbereitet? Wie stark reflektieren wir unsere eigene privilegierte Positionen bezüglich Repression? Was haben wir für Strategien uns zu schützen und Aktionen und Orte so zu gestalten, dass wir füreinander Sorgen? Wie lernen wir von rassifizierten, von Ableismus Betroffenen und wohnungslosen Menschen die schon sehr viel länger und tiefgreifender verstehen was Repression ist und wie wir dagegen kämpfen können?
Ausserdem ist gerade im Kontext der Klimagerechtigkeit natürlich die Repression an den europäischen Aussengrenzen, wo das Klima ein wichtiger Fluchtgrund ist etwas das ein zentraler Teil der Klimagerechtigkeit und unseren Strategien sein muss. Da gibt es zum Beispiel im Sommer ein No Borders Klima Camp in Basel, wo es genau um diese Verknüpfung geht. Aber wir brauchen mehr davon. Und wie schauen wir über unseren Tellerrand um Kämpfe gegen Repression an anderen Orts zu supporten, mit Geld und Aufmerksamkeit und Aktionen? Einige Beispiele dazu sind die Revolution im Sudan, die ökologischen Kämpfe in Kurdistan, Polizeimorde überall, die Situation vieler indigener Völkler in Mittel- und Südamerika, Kämpfe um Rohstoffe oder Wasserknappheit  etc. 

(De-)Zentralität von Antirepressions-Strukturen & fehlendes Wissen in der Bewegung:

Obwohl es bundesweit verschiedenste Gruppen und Aktionsformen gibt, ist die Klima(gerechtigkeits)bewegung teilweise nur prekär ausgestattet, was die Antirepressionsarbeit betrifft. Das Wissen und die Fähigkeiten liegen immer noch bei einigen wenigen Gruppen und Menschen, wie gewissen Eas oder der Roten Hilfe was zu ungesunden Machtdynamiken und Hierarchien führt. Es braucht mehr und langfristig verpflichtende Strukturen. Antirepressions Strukturen dürfen keine Dienstleistung sein, sondern Teil von jeder Aktionsplanung.  Es ist unser aller Verantwortung das Thema mitzudenken und Verantwortung zu übernehmen. Dass das oft nicht passiert, ist auch ein patriarchales Problem, da Struktur Arbeit abgewertet wird.
Repression kostet Geld, wir müssen dafür Sorgen, dass die Kosten solidarisch geteilt werden und die entsprechendne Töpfe voll sind und es braucht dezentralisierte Töpfe. 
Es braucht mehr Skillshares zum Thema Antirepressionsarbeit, also z.B. legal workshops vor Aktionen, aber auch Trainings wie mensch einen EA stellt, wie offensive Prozessführung funktioniert, digitale Sicherheit oder wie wir Menschen im Knast unterstützen können. 

Diversity of Tactics: Vielfälltige Aktionsformen und Repression:

So vielfältig die Aktionsformen, so vielfältig auch unser Umgang mit Repressionen je nach Grupppe und Netzwerk: Manche von uns stehen mit ihrem Namen und Gesicht in der Öffentlichkeit, andere bleiben lieber anonym. Manche von uns lassen sich von Anwält:innen vertreten, manche vertreten sich selbst vor gericht. Manche von uns sprechen und kooperieren mit der Polizei, manche aus Prinzip und Erfahrung niemals. 
ABER und das ist wichtig die Reaktion von Polizei und Justiz ist nicht immer geknüpft an die Art der Aktion. Repression ist auch in einem grossen mass willkürlich und unkontrollierbar darum müssen wir solidarisch zusammens stehen wenn es zu Repression kommt und die Antirepressions Strukturen grosszügig miteinander teilen. Auch da haben besonders die oft als „friedlich“ deklariereten Teile der Bewegung noch viel zulernen
Die Repression ist da und fühlt sich gerade ziemlich erdrückend und stark an.
Der Staat entwickelt immer neue Strategien gegen unsere Aktionsformen und Widerstände. Es ist ein ständiges Spiel aus Aktion-Reaktion, welches sich insbesondere in Gesetzeverschärfungen zeigt. Die Formen der Repressionen werden ausdifferenzierter bzw. es werden neue Formen erprobt, für die Beispiele habe ich nun keine Zeit.      
Wir sehen an Repression, das Klimagerechtigkeit immer auch ein Kampf gegen staatliche Strukturen und gegen weisse Vorherschaft und kolonialie Strukturen sein muss. Wir können nicht gewinnen gegen Repression, ohne die Strukturen die sie ausführen, wie den Staat und die Polizei abzuschaffen. Repression soll uns einschüchtern und bewegungslos machen. Sie ist meistens mächtiger als wir. Unsere Antwort daruf ist Solidarität, dezentrale Strukturen und zu versuchen flexible und spontan zu bleiben und die Wurzeln der Reperession den Staat, den Kapitalismus, weisse koloniale Vorherschaft, Patriarchat, Ableismus und viele andere Unterdrückungsformen direkt und unversöhnlich anzugreifen und, weil das ist nicht nur ein platter Demospruch, es triffte einige von uns, gemeint sind wir alle. Feuer & Flamme der Repression.

Fragen zur Diskussion oder Selbstreflexion:

    
    Welche Repressionen habe ich / haben wir als Gruppe in letzter Zeit erlebt, wie ist unser Umgang damit?
    Was macht mir in Bezug auf Repressionen am meisten Angst? Was könnte helfen, mit dieser Angst umzugehen?
    Was würde es für die zu erwartenden Repressionen (z.B.  Polizeikontakt, Polizeigewalt, Wahrscheinlichkeit von Anzeigen, erwartetes Strafmaß) bedeuten, wenn wir unsere Aktionsform ändern? 
    Welche Antirepressionsstrukturen, -Gruppen, -Personen kenne ich? Wie kommen wir als Gruppe an Infos oder wer kann uns Fragen beantworten, wenns brennt?
    Wird Antirepressionsarbeit und die damit verbundenen Kosten bei unserer nächsten Aktionsplanung mitgedacht? Wer kümmert sich darum? (legal trainings vorher, EA organisieren, Geld sammeln, hinterher Prozesse begleiten, Kontaktadresse für Betroffene einrichten, …)
    Wo und wann können mehr Trainings/skillshares stattfinden? Für wen und von wem?
    

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