Statement: Haftstrafe wegen Kohlekraftwerksblockade – ein Signal gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung

Wir veröffentlichen das folgende Statement von den Block Neurath 4, also den vier Personen die gerade in einzelnen Prozessen in Grevenbroich und Bergheim für die Block Neurath Aktion angeklagt werden.

Am 3. April 2023 wurde ein*e von uns verurteilt für die Blockade des Kohlekraftwerks Neurath, zu einer Haftstrafe von 9 Monaten, ohne Bewährung.

Ein Signal

Auch für uns ist das Urteil hart, weit jenseits von allem, womit wir gerechnet haben oder womit vergleichbare Aktionen in der Vergangenheit bestraft wurden. Bisherige Ankettaktionen gegen Atomtransporte oder Kohlezüge endeten mit Verurteilungen zu Geldstrafen, etliche Verfahren wurden auch mit und ohne Auflagen eingestellt. Das jetzige Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Berufung ist eingelegt und wir wissen natürlich nicht wie das Landgericht entscheidet – es kann einige Zeit dauern, bis es dort zur Wiederholung des Prozesse kommt. Trotzdem sendet das Urteil des Amtsgerichts Grevenbroich (Richterin Zieschang) ein eindeutiges Signal an uns, aber auch an alle anderen, die für Klimagerechtigkeit kämpfen, weil es die Regierungen und Konzerne eben nicht tun. Es reiht sich ein in die harte Repression, die es in den letzten Monaten auch gegen andere Aktive gab, zum Beispiel die Hausdurchsuchungen und Präventivhaft für die Aktiven der letzten Generation oder auch die Inhaftierung von Kohlekraftwerksblockierer*innen und Wald- und Dorfverteidiger*innen. Dazu gehört auch, dass Medien und ein namhafter Rechtsprofessor es für Notwehr halten, wenn Autofahrer*innen selbst die Fahrbahn räumen, auch wenn sie dabei Menschen verletzen.

Wir sind keine Held*innen, sondern einfach Menschen wie ihr auch. Wir haben auch Angst und uns schreckt die Vorstellung von Knast, denn weil wir die Freiheit lieben, hassen wir es auch eingesperrt zu sein. Wir haben uns nur entschieden, uns von dieser Angst nicht beherrschen zu lassen, weil es wichtigeres gibt. Und wir fordern euch weiterhin und trotz alledem auf: Lasst euch nicht entmutigen, seid weiter aktiv, blockiert Kohle- und Gaskraftwerke und allen anderen Scheiß, der unser Klima zerstört. Sucht euch passende Aktionsformen, das können auch andere als unsere sein. Im Plädoyer der Staatsanwaltschaft hieß es zum rechtfertigenden Notstand, dass die Blockade des Kohlekraftwerks nicht dauerhaft CO2-Ausstoß verhindern würde. Das klingt fast so, als würde sie meinen, es in die Luft zu sprengen wäre sinnvoller. Aber manchmal kann es auch mutiger und genau das richtige sein, in einer Baunkohlestadt einfach nur Flyer zu verteilen oder Position zu beziehen.

Die angeführten Behauptungen von Gericht und Staatsanwaltschaft stimmen zudem nicht (aber wer rechnet auch damit): Mit der Aktion wurden real zwischen 5.000 und 22.000 Tonnen CO2 gespart, die erstere Zahl kommt zustande, wenn wir den Ersatz durch Steinkohle-Strom annehmen, die letztere, wenn wir vom Ersatz durch Erneuerbare ausgehen. Durch Braunkohle wurde der ersatzbeschaffte Strom nicht erzeugt, weil Braunkohlekraftwerke unflexibel sind und das Hochfahren zu lange dauert. Wir wissen nicht, wodurch der ersatzbeschaffte Strom erzeugt wurde, aber sicher ist: wir haben mehrere Tausend Tonnen CO2 eingespart. Und ja, darauf sind wir stolz. Das ist mehr als wir durch persönlichen Konsum in Jahrzehnten einsparen könnten.

Gerichte sind nicht neutral

Wir danken euch für eure Solidarität, die uns erreicht. Wir danken euch für all die lieben Worte, all das beieinander stehen und es hilft uns durch schwere Zeiten. Zwei Details wollen wir trotzdem ansprechen: Gewalt ist ein Kampfbegriff der Gegenseite, deshalb ist uns egal, ob unsere Aktionen gewaltfrei sind oder nicht, vom Staat werden sie so oder so meist als Gewalt definiert – wohin gegen der seine eigene Gewalt durch Polizeiknüppel oder Knäste meist nicht so bezeichnet. Und wenn wir hören, „Klimaschutz ist kein Verbrechen“, dann denken wir, leider doch. In diesem Land, in dieser Zeit ist es real durch Gesetze und Rechtsprechung der Gerichte illegal und strafbar, sich ernsthaft für Klimaschutz einzusetzen. Viele der Dinge, die wir tun, sind illegal, ob Straßen – oder Kohlekraftwerksblockaden (ob strafbar lässt sich diskutieren). Das heißt aber das Problem liegt nicht daran, dass wir kriminell sind, sondern an den herrschenden Gesetzen. Es ist schlicht Aufgabe der Justiz, den Status quo abzusichern, das heißt die Regierenden und Konzerne zu schützen, die sich nicht die Bohne um Klimaschutz kümmern. Und diese Wehrhaftigkeit des Staates gegen alle Angriffe auf die existierende Politik und das zu Grunde liegende Wirtschaftssystem des Kapitalismus zeigt sich, wenn sie uns verurteilen. Deshalb schämen wir uns nicht, kriminell zu sein und wollen uns auch nicht von denen distanzieren, die oft aus Armut Straftaten begehen und ohne Ticket fahren oder Kaufhäuser beklauen. Denn auch da sind der Besitz und die Gesetze, die ihn schützen, das Problem, nicht diejenigen, die diese Gesetze brechen. Insofern wollen wir auch nicht jammern, sondern dazu aufrufen, auch gegen Justiz, Polizei und Staat zu kämpfen, wenn wir das mit der Klimagerechtigkeit ernst meinen.

Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass wir es nicht einsehen, vor Gericht lieb und brav und nett und reuig zu sein. Einige Menschen meinen mit unserer Prozessstrategie hätten wir das Urteil provoziert. Aber bei Gerichten ist es so üblich, geheuchelte Reue zu sehen, dass vollkommen unklar ist, ob das überhaupt etwas bringt und abgesehen davon, wollen wir auch zeigen, dass es richtig ist, gegen Kohlekraftwerke zu sein und Gerichte zum Narren zu halten oder herauszufordern, unabhängig davon, was diese dazu meinen. Auch dann wenn diese meinen, die politische Haltung gehöre bestraft. Das zeigt dann vor allem wie armselig die Gerichte doch sind und wie sehr doch Handlanger von NRWE, die uns so gerne verurteilt sehen, vor allem wegen unserer politischen Haltung.

Solidarität

Schön gemaltes Transparent "Für diese Stinke-Kohle gleich 9 Monate verbannt, was sind das nur für Richter in diesem meinem Land"

Soli-Transparent bei einem anderen Prozess (von Lebenslaute)

Lasst Solidarität keine Eintagsfliege sein, baut mit uns tragfähige Strukturen auf, die uns auch nicht allein lassen, wenn wir mit harter Repression konfrontiert sind. Kommt zu den Prozessen, es ist viel leichter, diese durchzustehen, wenn ein Haufen solidarischer Menschen da ist und Richter*innen anpöbelt für ihre Ungerechtigkeiten. Macht weitere Aktionen, wenn wir sehen, dass andere trotzdem aktiv bleiben, gibt uns das Kraft und macht uns zusammen stärker. Lasst Menschen im Knast nicht allein, organisiert Demos zur Abschaffung der Knäste, schreibt Gefangenen, denn ein lieber Brief kann den ganzen Tag retten und bedeutet mehr als ihr euch in Freiheit vorstellen könnt. Schreibt zum Beispiel Briefe an Finn, der nach der Heibo-Räumung inhaftiert wurde und seitdem im Knast sitzt: https://heibo.noblogs.org/2023-03-07/freefinn/

Wir denken auch an die Menschen, die unter noch härteren Bedingungen kämpfen, an Menschen in Ländern, in denen solche Aktionen schlicht undenkbar wären, in denen schon für Demonstrationen Haftstrafen riskiert werden und Aktivisti für ihren Kampf um Klimagerechtigkeit sogar mit ihren Leben bezahlen. So kann es beispielsweise Indigenen in Brasilien passieren, beim Schutz des Regenwaldes von Holzfäller*innen erschossen zu werden. In Australien bekam wer eine 15-monatige Haftstrafe für eine 25-minütige Verkehrsunterbrechung. In den USA gab es für das Schneiden von kleinen Löchern in leere Pipelines auf einer Baustelle gleich 8 Jahre Haft.

Wir denken auch an die privilegierte Position des Gerichts, welches sich bequem zurück lehnen kann. Zum einen weil Richter*innen und Staatsanwält*innen nicht an Armut leiden und zum anderen weil auch in Deutschland viel von den Klimafolgeschäden mit Geld abgefangen werden kann. Das ist aber auch Geld aus jahrhundertelanger Ausbeutung des globalen Südens, die sich jetzt dadurch fortsetzt, dass genau dort wieder Menschen unter den Folgen der im globalen Norden verursachten Klimaschäden leiden. Denn nicht nur in Brandenburg verdorren die Felder, nicht nur im Rhein ist zu wenig Wasser und Fluten gibt es nicht nur im Ahrtal.

Deshalb seid solidarisch, nicht nur mit uns, sondern mit allen die für Klimagerechtigkeit kämpfen! Denn die Klimakrise lässt sich nicht wegsperren!

Block Neurath 4 (die für die BlockNeurath Aktion gerade in einzelnen Prozessen in Grevenbroich und Bergheim angeklagt werden)

Ihr erreicht uns, die anderen Block Neurath Beteiligten und solidarische Menschen über blockieren_schockieren[ät]riseup[dot]net

3 Gedanken zu „Statement: Haftstrafe wegen Kohlekraftwerksblockade – ein Signal gegen die Klimagerechtigkeitsbewegung

  1. Liebe Klimaaktivist*innen, danke erst einmal für Eure Aktion,, den Mut und auch die Konsequenz, mit der Ihr diese Prozesse durchsteht. Meine Solidarität und mein Mitgefühl habt Ihr. Ja, ich bin von dem selben Gericht, allerdings auch von einem anderen Richter wegen eines GO Ins mit Musik auch zu 105 Tagessätzen verurteilt worden, vorletztes Jahr. Der Richter war noch über das Strafmaß der Staastanwaltschaft hinausgegangen. Zu Eurem Trost und etwas Hoffnung: Das Landgericht Mönchengladbach, dazu werdet Ihr mit Eurer Berufung auch kommen, hat mich dann freigesprochen. Ich hoffe, Euch passiert dasselbe. Am 15.5. habe ich leider einen anderen politischen Aktionstermin, so dass ich zu Eurem Prozeß nicht kommen kann. Ich würde aber gerne dieser Richterin was schreiben. Wie heißt sie? Ansonsten finde ich gut, vorher in Grevenbroich ein Camp zu machen. Kann ich sonst noch irgendwie unterstützen? Ich selbst bin zwar alt, schon über 70 Jahre, aber Ziviler Ungehorsam begleitet mich mein ganzes Leben, in den letzten Jahren besonders viel. Saß deshalb letzten Dezember für 20 Tage auch im Knast, weil ich einfach kein Bußgeld an die Staatskasse abführen wollte. Ich kann aber auch aus diesen Erfahrungen verstehen, dass der Knast für Euch eine Bedrpohung bedeutet. Trotzdem ist es gut, dass Ihr Euch nicht durch die Angst einschüchtern läßt. Auch durch das Absitzen im Knast kann man was bewegen. Ich hatte wä
    hrend der Knastzeit 3 Mahnwachen vor dem Knast, was recht rege Diskussionen innerhalb des Knastes ausgelöst hat. Dazu habe ich über 100 Schreiben dorthin bekommen, was für mich ein guter Schutz vor Übergriffen war und sie mit mir besonders vorsichtig umgegangen sind. Durch diese Freiheiten in Unfreiheit habe ich eine Menge erfahren, wie es darin zugeht und weiß in etwa, was nun die neuralgischen Punkte sind. Auch hier würde ich Euch Mut machen, nicht unbedingt in den Knast zu gehen, aber sich darauf vorbereiten und überlegen, wie man diese Zeit als Mahnwache hinter Gittern durch Mobilisierung vieler Menschen in eine politische Aktion umwandeln kann. Da gibt es Beispiele und Vorbilder. Herzliche solidarische Grüße Elu

    • Die Richterin heißt Frau Dr. Zieschang, schick uns auch gerne, was du schreibst.

      Wenn die Urteile so bleiben gibt es gar keine Wahl, ob in den Knast gehen oder nicht – aber mal sehen was das Landgericht entscheidet, das mit dem Freispruch klingt auf jeden Fall ermutigend.
      Aber wenn es dabei bleiben sollte, hast du natürlich Recht, das lässt sich politisch nutzen – auch um gegen Knäste generell zu sein, denn diese lösen keine Probleme sondern verschärfen sie.

  2. Ich teile Eure Argumentation. Dankbar, dass Ihr vorlebt wie Widerstand gehen kann, und empört über staatliche Repression und die drastischen Strafen die Euch drohen, möchte ich Euch versichern, dass ich ganz auf Eurer Seite stehe. Ich bin bereit, zu den Kosten die Euch entstehen etwas beizutragen und werde mich per Mail bei Euch melden.
    Solidarische Grüße!
    Sibylle

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