BlockNeurath: Wir Sündigen weiter gegen RWE und andere fossile Konzerne – absurden Gerichtsurteilen und anderen Repressionen zum Trotz!

Der letzte Verhandlungstag des zweiten Berufungsprozess startete am frühen Morgen mit einer Kletteraktion: noch bevor die Cops zum „Bewachen“ der Mahnwache am Start waren, kletterten zwei Menschen in die hohen Bäume auf der anderen Straßenseite gegenüber des Landgerichts und hissten ein Transpi mit der Aufschrift: „SÜNDIgen gegen RWE, Besetzen, sabotieren, freisprechen!“
Das Banner und die Menschen in den Bäumen waren vom Gericht aus gut sichtbar und so bekam die Soliaktion für die Menschen der Waldbesetzung im Sündi (oder Sündenwäldchen, ein Teil des Hambacher Walds, das noch im Januar von RWE gerodet werden soll) und die Angeklagte viel Aufmerksamkeit von Gerichtsbesucher*innen und sonstigen Passant*innen.Banner "SÜNDIgen gegen RWE. Besetzen, sabotieren, freisprechen" zwischen mehreren Bäumen aufgehangen. In den Bäumen hängen zwei Menschen, im Hintergrund ist ein Hochhaus zu sehen.

Im Gericht ging’s dann los mit noch ein paar Beweisanträgen, die am letzten Verhandlungstag abgelehnt worden waren und nun nochmal, überarbeitet, gestellt wurden. Natürlich wurden sie alle, nach einer vergleichsweise langen Unterbrechung vom Gerichtabgewiesen. Danach wurde die Beweisausnahme geschlossen.

Dann folgte das Plädoyer der Verteidigung auf Freispruch und würden wir nicht wissen, wie Gerichte so ticken und dass somit ein Freispruch eh unrealistisch ist und nicht passieren wird, hätten während des Plädoyers die Gedanken aufkommen können, dass die Richterin nun doch einfach freisprechen müsste.

Es wurde deutlich gemacht, dass nur weil sich eine Amtsrichterin in Grevenbroich ein absurd hohes Urteil von neun Monaten ohne Bewährung erlaubt hat, in einem Verfahren in dem sowohl die Strafprozessordnung als auch die in der europäischen Menschenrechtskonvention festgelegten Rechte auf ein faires Verfahren mit den Füßen getreten wurde, wir uns nun auch in Mönchengladbach am Landgericht mit der Justiz herumschlagen müssen. Und, dass auch hier aller Vorraussicht nach ein Urteil gefällt wird, das mit 120 Tagessätzen immer noch viel zu hoch ist und nicht in Relation zur angeblichen Straftat steht und auch nicht vergleichbar ist mit Strafen, die in der Vergangenheit für ähnliche Aktionen verhängt wurden. Und das hängt natürlich auch damit zusammen, das RWE versucht den Prozess zu beeinflussen und an einer möglichst hohen Strafe interessiert ist, was sich an einem in der Akte befindlichen Beschwerdebrief des Konzerns an die Oberstaatsanwaltschaft Köln zeigt, an gebrieften Zeugen, denen die RWE-Rechtsabteilung zu ihren Aussagen Ansagen erteilt hat und der Tatsache, dass ein von RWE bezahlter Anwalt während des Prozesses und der Vernehmung der RWE-Zeugen im Publikum saß und mitschrieb.
Die Blockadaktion selbst war ganz klar eine Versammlung auf den Gleisen und wurde als solche sogar von der Polizei wahrgenommen. Wie auch bei anderen Versammlungen, Protesten und Demos (in der Innenstadt, auf Autobahnen etc,) kann es auch hier zu Störungen und Behinderungen kommen (Staus, Umleitung oder Ausfall von öffentlichen Verkehrsmitteln, Sperrungen von Straßen), die aber als solche angesichts des hohen, grundgesetzlich geschützten Guts des Rechts auf Versammlung und freie Meinungsäußerung billigend in Kauf genommen werden müssen. Und so muss RWE eben auch den vorübergehenden Ausfall der Belieferung des Kraftwerks Neuraths mit Kohle, versursacht durch eine Versammlung auf der Kohlebahn in Kauf nehmen. Da einzige was ggf. an der Aktion strafbar war, war dass die Versammlung nicht angemeldet wurde. Und was den angeblichen Schaden betrifft: Dieser hätte nicht so hoch sein müssen, hätten Kraftwerksmitarbeitende, Krisenstab und Kohlebahnverantwortliche vernünftig miteinander kommuniziert und sich gegenseitig über den Ablauf der Räumung auf den Schienen informiert. Das dies nicht so geschehen ist, kann nicht den Aktivist*innen zur Last gelegt werden.

Das große Sandsteingebäude des Landgerichts Mönchengladbach ist im Hintergrund zu sehen, davor ein Transparent zwischen zwei Bäumen, welches allerdings nur von hinten zu sehen ist. Ein paar Autos sind geparkt.

Die Staatsanwältin sah die Sache in ihrem Plädoyer selbstverständlich anders: Der Betrieb des Kraftwerks sei ganz klar gestört wurden und hierzu reicht es auch schon, dass dieser nicht mehr so ablaufen kann wie es normal der Fall wäre und es sei auch egal, ob es sonst zu irgendwelchen Störungen im Betrieb des kommt oder nicht. Außerdem sei die Aktion nicht effektiv gewesen: Ihrer Meinung nach könne ein rechtfertigender Notstand nach §34 STGB nur dann in Frage kommen, wenn durch die Aktion nachhaltig der Klimawandel aufgehalten werden würde. Das sowas nicht mal möglich wäre, wenn durch eine Aktion ein Kraftwerk dauerhaft abgeschaltet werden würde und somit realistisch gesehen nie durch einzelne Aktionen erreicht werden kann – egal!
Die Strafzumessung erhöhte sie von den am ersten Prozesstag angebotenen 90 Tagessätzen (Bedingung: Verzicht auf Beweisaufnahme) auf 120 Tagessätze à 90 Euro. Hier orientierte sie sich ganz frech am Nettodurchschnittseinkommen in Deutschland von 2700 Euro im Monat, welches natürlich auch das Einkommen aller Superreichen miteinschließt. Angeblich gesah dies aus Gleichheitsgründen – es wäre ja unfair wenn die Strafe niedriger ausfällt als im Paralellverfahren – tatssächlich forderte sie damit nicht nur die Tat, sondern auch das wahrgenommene Recht der Angeklagten auf Verteidigung und Beweisaufnahme mitzubestrafen.

Darauf ging die Richterin auch ein und nach fünf Verhandlungstagen endete der Prozess mit dem erwartbaren Urteil über 120 Tagessätze à 50 Euro, 6000 Euro – „eine empfindliche Geldstrafe muss schon sein“ (sinngemäßes, nicht wörtliches Zitat) was auch weiterhin 120 Tagessätze zu viel sind.

Banner "SÜNDIgen gegen RWE. Besetzen, sabotieren, freisprechen" zwischen zwei Bäumen aufgehangen. Im HIntergrund ein Kirchturm, im Vordergrund die Straße.

Doch auch diese 120 Tagessätze werden uns, ebenso wie andere Urteile und sonstige Repressionen durch Bullen, Justiz und Konzerne, nicht davon abhalten weiter gegen fossile Unternehmen und für Klimagerechtigkeit und eine befreite Gesellschaft für alle zu kämpfen. Dies machte die Angeklagte in ihrem letzten Wort deutlich (was natürlich vor dem Urteil kommt, aber in diesem bisher chronologischen Text danach, weil es inhaltlich einfach ein schöneres Ende ist als das Urteil :). Denn aller dystopischen Nachrichten der Klimakatastrophe zum Trotz, lohnt es sich weiter dafür zu kämpfen. Und zu sehen, dass dies an den verschiedensten Orten der Welt immer wieder passiert und auch in Zukunft passieren wird, ist definitiv ein Grund zur Freude, vielleicht sogar Hoffnung!

Leider gehen die BlockNeurath-Prozesse weiter: Am 24.1. ab 9.15 Uhr ist vorm Landgericht Mönchengladbach die nächste Person dran – kommt auch da gerne vorbei!

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