Tag 2 Block Neurath: Wieder keine Zeugen gehört

Zwei Menschen in einem grünen bzw. pinken Ganzkörperanzug halten ein pinkes Transparent, in der Mitte ist eine Faust mit gezogenem Stecker, darunter gekreuzte Hämmer, in gelber Schrift ist zu lesen: "Kohleausstieg bleibt Handarbeit" - im HIntergrund ist ein Gebäude zu sehen.Der zweite Prozesstag am Landgericht Mönchengladbach begann erneut mit Auseinandersetzungen rund um den Einlass. Zwei Personen waren auf Grund der sehr intensiven „touchy“ Einlasskontrollen im Ganzkörperanzug erschienen. Diesmal hatten die Justizwachtmeister*innen entschieden, zwar die Angeklagte mit Rucksack problemlos einzulassen, aber einer Verteidigerin den Einlass ins Gebäude mit Rucksack (in dem viele Verteidigungsunterlagen waren) zu verwehren, weil sie keinen Anwaltsausweis vorzeigen könne. Nun ist sie aber in dem Verfahren rechtskräftig als Verteidigerin zugelassen und hat (eigentlich) dementsprechende Rechte. Ein Justizwachtmeister meinte im Sitzungssaal, in dem schon Angeklagte, Anwalt und einige Zuschauer*innen saßen, dass die Person nicht eingelassen würde, weil sie ihre Ladung nicht gezeigt hätte (gelogen) und dass sie den Rucksack nicht durchleuchten lassen wolle (ebenfalls gelogen). Das führte zu einem lautstarken Disput zwischen Pflichtverteidiger und dem Justizwachtmeister. Schließlich kam der vorsitzende Richter und nach einigem Hin und Her (vermutlich mit Zuständigkeits-Hick-Hack innerhalb des Gerichts) wurde als „absolute Ausnahme“ der Verteidigerin die Mitnahme des Rucksacks mit Verteidigungsunterlagen gestattet.

Auf Grund dieser Auseinandersetzungen startete der Prozess erneut mit einer Stunde Verspätung, was ein Verteidiger auch gleich kritisierte, genauso wie das mehrfache Angelogen werden von Seiten der Wachtmeister. Einer der Justizbeamt*innen hatte nämlich auch die Verteidigerin angelogen und behauptete, die Abnahme einer Nagelschere sei bereits protokolliert, obwohl sie das da nicht war, sondern erst wurde, als die Verteidigerin auf eine Quittung statt einer Platzkarte bestand.

Richter Rosso verlas dann die Ablehnung der vier beim letzten Mal gestellten Anträge und übernahm dabei teilweise wortgleich die Ausführungen der Staatsanwaltschaft. Die Kontrollen seien verhältsnismäßig, es dürften nicht beliebige Gepäckstücke mitgenommen werden und da das Urteil auf der Hauptverhandlung beruhe, seien auch weitere Akten zum jetzigen Zeitpunkt nicht erforderlich und es egal, ob diese vollständig seien.

Dann verlas er noch die Krankmeldung des RWE-Rechenkünstlers durch die RWE-Zuständige der Rechtsabteilung W (die sämtliche RWE-Zeug*innen brieft) und wies darauf hin, dass eine Vernehmung des Zeugen nicht erforderlich erscheine. Der Richter würde sich der Auffassung im Parallelverfahren anschließen, dass auch im Falle einer Verurteilung der von RWE berechnete Schaden der Angeklagten nicht strafrechtlich zuzuordnen wäre. Er betonte noch einmal, dass er das erstinstanzliche Urteil überzogen fände (Knast ohne Bewährung) und es sicher nicht dabei bleiben werde, sondern er den Rahmen der anderen rechtskräftigen Urteile angemessen fände.

Die Angeklagte beanstandete daraufhin, dass zwei Personen nicht kommen konnten, weil sie Gepäck dabei hatten und dies nicht draußen lassen wollten.

Schließlich kam es zur Verlesung der Feststellungen aus dem erstinstanzlichen Urteil. Der Verteidiger stellte einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit wegen des Schadensersatzsanspruches den RWE jetzt im Zivilverfahren geltend mache (1,2 Millionen Euro) und verlas die ersten Seiten der Zivilklage. Die Staatsanwaltschaft stimmte einer Einstellung jedoch nicht zu, wegen dem „Gleichheitsgrundsatz“, die Angeklagten gleich zu behandeln. Aus dem Publikum riefen die beiden schon rechtskräftig verurteilten Personen prompt: „Wir stimmen zu“, was der Staatsanwaltschaft so egal war wie das Argument, dass sich die Ausgangslage durch das Einreichen der Zivilklage und das längere Zurückliegen der Tat durchaus geändert habe. Eine Verteidigerin betonte auch, dass auch in den Parallelverfahren am Landgericht im Vergleich immer noch sehr hohe Urteile gefällt worden seien als diejenigen zu vergleichbaren Aktionen in den Jahren davor – was verschleiert würde durch exorbitant hohe Urteile des Amtsgerichts.

Ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft kann es keine Einstellung geben, also ging das Verfahren weiter mit der Einlassung der Angeklagten, die über die Situation vor vier Jahren zum Zeitpunkt der Aktion sprach, als zwar das 1,5 Grad Ziel noch nicht erreicht war, die Schäden durch die Klimaerhitzung aber bereits spürbar waren. Sie erläuterte, wie die Gerichte sich weigern, das Gesetz des rechtfertigenden Notstands anzuwenden und erklärte, welche Gefahren durch die Klimakrise bestehen, dass Mittel wie Klagen versagt hätten und die Bundesregierung eben gerade nicht handeln würde, dass aber die Blockade den Ausstoß von Treibhausagen und anderer Luftverschmutzung verhindert habe. Die vollständige Einlassung findet ihr hier als pdf.

Der Richter wollte schon mit der Vernehmung des ersten Zeugen starten, da gab es seitens der Verteidigung noch einen langen Antrag zur Audio-Aufzeichnung der Zeug*innen-Vernehmungen um zum einen sich hinterher über die Aussagen einig zu sein und zum anderen auch Lügen der Zeug*innen zu reduzieren. Da dort viel Rechtsprechung zitiert wurde schloss der Richter die Verhandlung dann noch vor 12 Uhr wieder, rief die Zeug*innen hinein und sagte ihnen, sie müssten nächste Woche wieder kommen. Am Freitag, den 14.11. geht es um 9:15 Uhr weiter – vielleicht werden dann der damalige Abteilungsleiter des Kraftwerksbetriebs von Neurath und zwei damals protokollierende Polizist*innen vernommen. Ihr seid jedenfalls wieder herzlich eingeladen, vorbei zu kommen.

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