Der zweite BlockNeurath-Prozess am Landgericht begann wie gewohnt mit einer Kundgebung vorm Gericht, diesmal gab es Soli-Bierdeckel und eine Absperrung, welche die Polizei freundlicherweise vorbereitet hatte – passend zu den Flyern, in denen es um eine Sperrung wegen zu viel Luftverschmutzung durch das Kohlekraftwerk Neurath ging. Diese Flugblätter wurden auch am Tag zuvor schon vor zwei symbolisch abgesperrten Geschäften in der Innenstadt verteilt.
Im Gericht ging es mit einem anderen Richter als im Parallelverfahren nach der Feststellung der anwesenden Personen direkt von der Verteidigung los mit einem Antrag auf Akteneinsicht, da eine der Wahlverteidigerinnen nach dem Amtsgerichtsurteil noch keine Akte erhalten hatte. Der Richter meinte, dem müsse nachgekommen werden und so soll die Verteidigerin vorm nächsten Prozesstag eine Kopie der Akte bekommen.
Trotzdem wurde noch ein wenig weiter verhandelt und der Richter fragte nach dem Ziel der Berufung. Einhellige Antwort der Verteidigung: Freispruch. Trotzdem wurde auch darüber diskutiert, dass das Urteil des Amtsgerichts sehr hoch gewesen sei (9 Monate ohne Bewährung) und auch der Richter meinte, dass das vermutlich kräftig reduziert würde – das Oberlandesgericht hätte schließlich auch schon entschieden. Eine Verteidigerin merkte an, dass die 120 Tagessätze aus dem Parallelverfahren immer noch sehr hoch im Vergleich zu ähnlichen Verfahren wären, das aber weniger scheinen würde, wenn Amtsgerichte derart über die Stränge schlagen würden wie hier. Und die Bestätigung des Urteils im Parallelverfahren durch das Oberlandesgericht sei auch ziemlich dreist, weil das Landgerichtsurteil zwar voller Logikfehler gewesen wäre, aber das Oberlandesgericht eine ähnliche Rechtsauffassung aus irgendwo in der Zeitung gelesenen Artikeln begründet habe. Resultat der Diskussion war, dass in einem möglichen Rechtsgespräch wohl kein Freispruch rauskommen würde, wie von der Verteidigung gewünscht, sodass wohl weiter verhandelt werden muss.
Dann wurden einige weitere Anträge der Verteidigung gestellt. Es ging darum, dass zahlreiche Informationen der Akte vorenthalten wurden (unter anderem ein Räumungsvideo der technischen Einheit sowie zahlreiche Berichte und vermutlich vieles weitere, was in Polizeiakten schlummert) und deshalb wurde die Herstellung von Aktenvollständigkeit beantragt. Entschieden wurde dieser Antrag noch nicht, aber ein Telefonvermerk vom Amtsgericht, bei welchem die Rechtsabteilung von RWE um Sonderbehandlung für ihren Zeugen bat, weil der nicht in der „Aktivistenschlange“ warten und sein Smartphone behalten wollte, wurde auf Antrag doch in der Akte abgeheftet und mit einer Seitenzahl (auf die sich bezogen werden kann) versehen. Zusätzlich wurden zwei unter falscher Angabe erlangter und für das Verfahren nicht notwendige Auszüge aus dem Bundeszentralregister (dort stehen alle bisherigen Verurteilungen drin) sowie ein Auszug aus dem staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (dort stehen alle bei der Staatsanwaltschaft geführten Verfahren drin, also auch die aus denen nie etwas wurde oder bei denen Menschen noch als unschuldig gelten drin) der beiden Wahlverteidigerinnen nach etwas hin und her und Nachschlagen in den Akten vernichtet.
Danach wurde dann über das Video in der Akte auf einer BluRay diskutiert, dass weder abgespielt noch kopiert werden kann nach aktuellem Stand. (Hoch lebe die moderne Technik!) Dass das Video auch vorm Amtsgericht nur in Auszügen und sehr ruckelig gezeigt werden konnte, erfuhr das Landgericht nicht etwa aus dem damaligen Protokoll sondern jetzt von der Verteidigung. Das Gericht will nun versuchen, das Video aus dem Parallelverfahren heranzuziehen.
Zuletzt wurde vom dritten Verteidiger noch ein Antrag auf Pflichtverteidigung gestellt, begründet damit, dass die Sache kompliziert und langwierig sei und vor allem ein Sachverständiger von RWE vernommen werden müsse. Die Staatsanwältin stellte sich dem Antrag nicht entgegen, sodass der Richter die Beiordnung des Anwalts als Pflichtverteidiger beschloss.
Dann wurde nur noch über neue Termine diskutiert und die beiden Polizeizeugen entlassen. Sie sollen nun am 25.10. vernommen werden (und waren nicht sehr erfreut wieder kommen zu müssen, was von der Verteidigungsbank kommentiert wurde mit einem „Augen auf bei der Berufswahl“). So endete der Prozesstag ohne auch nur bis zur Verlesung des Urteils des Amtsgerichts (also so etwas wie der Anklage) gekommen zu sein.
Am nächsten Termin, dem 11.10.2024 soll es nach bisheriger Planung weiter gehen, mit Verlesung des Urteils des Amtsgerichts, Erklärung der Angeklagten, sowie zwei Zeugen von RWE und zwei Protokollant*innen der Polizei, die vernommen werden sollen. Ihr seid wieder herzlich eingeladen vorbei zu schauen. Prozessbeginn am Landgericht Mönchengladbach ist jeweils um 9.15 Uhr, vermutlich startet die Mahnwache draußen jeweils eine halbe Stunde vorher.