Oft braucht es einen langen Atem, um Versammlungsrechte durchzusetzen. Jetzt jedoch ist klar: Auch wenn die Polizei in Aachen Menschen einsperrt muss sie es tolerieren, dass dann Menschen gegen diese Gefangenenahmen auf ihrem Gelände demonstrieren und auf die Menschen warten, die wieder frei kommen.
Anlass für die Klage vor den Verwaltungsgerichten, welche zu dieser Entscheidung führte, war eine Aktion gegen Braunkohle im August 2019. Wie bei vielen Aktionen nahm die Polizei Menschen in Gewahrsam, verschleppte sie auf die Polizeistation nach Aachen und Menschen versammelten sich zu einer Mahnwache auf dem Gelände der Polizeistation (dort gibt es einen großen Vorplatz). Dies wurde bald unterbunden und die Auflage erteilt, die Versammlung solle weiter weg stattfinden (außer Sichtweite der Menschen die frei kommen). Das Oberverwaltungsgericht entschied im Dezember 2023, dass dies rechtswidrig war.
Die Polizei muss Versammlungen in Sichtweite der Gefangensammelstelle auf ihrem Gelände zulassen.
Das gilt weil Versammlugnen grundsätzlich ein Selbsbestimmungsrecht über den Ort haben und ein Gelände, welches sonst auch öffentlich genutzt wird, zum Beispiel als Passage oder um Denkmäler aufzustellen ist auch für Versammlungen geeignet. Auch wenn ein Gelände videoüberwacht ist, heißt dass nicht, dass dort keine Versammlungen stattfinden dürfen – wenn die Veranstalter*innen sich trotzdem für den Ort entscheiden, ist das ihre Wahl. Mit dem Argument der Videoüberwachung des Geländes nämlich hatte die Polizei versucht die Klage abzuweisen. Die Argumentation war beim Verwaltungsgericht Aachen (dass traditionell oft für NRWE entscheidet) noch erfolgreich, nach der Berufung beim Oberverwaltungsgericht in Münster jedoch nicht mehr. Künftig dürfen die Mahnwachen für die Gefangenen also auf dem Vorplatz der Polizeiwache in Aachen direkt stattfinden.
Wer noch mehr Jura-Argumentation lesen will, findet hier die Zusammenfassung des Urteils durch den Anwalt: Zusammenfassung der OVG-Entscheidung (pdf) – oder hier gleich das komplette Urteil: 15_A_2417_20_Urteil_20231222 (pdf).