Am 25.04.2024 stand unser Genosse vor dem Amtsgericht Kerpen bei Köln. Die Staatsanwaltschaft NRW hatte ihm Hausfriedensbruch im Zusammenhang mit einer Baggerbesetzung im Tagebau Hambach Anfang 2023 vorgeworfen jetzt aber hat das Gericht ihn freigesprochen (nachdem ein anderer Richter letzte Woche eine andere Person in gleicher Sache verurteilte).
Die Verhandlung begann damit, dass das Gericht noch vor Aufruf zur Sache auf eine Beanstandung der Verteidigung zugestand, dass die Eingangskontrollen rechtswidrig seien. Kurz darauf wurde der erste Zeuge vernommen. RWE stellte den Zeugen R.F. zur Verfügung, der uns allen erzählen sollte, dass der Tagebau vollständig von Warnschildern, Zäunen und einem Erdwall umschlossen sei – diese sog. Umfriedung wäre hier eine Voraussetzung für die Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs gewesen. Zum Beweis brachte er eine mehrere Jahre alte Karte mit, die immerhin die Hälfte der Umfriedung zeigte. Doof nur, dass einer der Verteidiger die fehlenden Stellen vor dem Prozess mit einer Drohne abgefilmt hatte. Außer einer zitternden Augenbraue hatte der RWE-Zeuge keine Antwort, als er die Videos sah.
Der Richter signalisierte nach der Entlassung des Zeugen und einer Stellungnahme der Verteidigung zum Stand der Beweisaufnahme, dass er deren Einschätzung teile: „Ich habe Schwierigkeiten eine durchgängige Umfriedung zu erkennen„. Ein Freispruch läge nun nahe. Der Staatsanwalt versuchte nun verzweifelt, seine Verurteilung zu retten. Zunächst musste er einige Erklärungen der Verteidigung in seinem Gesetzeskommentar nachschlagen. Dann vertrat er absurde Mindermeinungen, die wenige Juristen so unterschreiben würden. Doch nichts half. Am Ende interpretierte er die Videos erst so, dass man dort doch klar eine Umfriedung sehen könne. Auf die Nachfrage, wo er denn eine solche Umfriedung gesehen hätte, erklärte er dann, dass auch die Abbruchkante des Tagebaus eine Umfriedung sei. Schließlich sei jedermann klar, dass das Betriebsgelände sei. Die Verteidigung wies ihn nun darauf hin, dass das für die rechtliche Bewertung unbeachtlich sei, weil aus der Abbruchkante kein dem Betreten entgegenstehender Wille seitens RWE ersichtlich werde. Die Antwort? Sprachlosigkeit.
Vor der Urteilsverkündung wurde ein letzter Zeuge J. – von Beruf Cop – vernommen. Der war leider nicht vor Ort, als die Aktion stattfand, habe nur Büroarbeit geleißtet, kenne die angeklagte Person dementsprechend nicht könne „garnix sagen, zumindest nichts neues“. Dementsprechend lautete seine Antwort auf fast jede Frage in beinahe Scholz’scher Manier „Das weiß ich jetzt nicht.“. Keine fünf Minuten später wurde der Zeuge unvereidigt entlassen.
Nach einer zehnminütigen Pause und kurzen Plädoyers folgte ein ebenso kurzes Urteil: Freispruch. Die Rechtsauffassung der Verteidigung wurde in nahezu allen Punkten übernommen.
Wir freuen uns natürlich über den Freispruch. Er hat Signalwirkung für die Verfahren gegen die anderen Baggerbesetzer:innen – andere wurden verurteilt und gehen nun in die zweite Instanz – und ist hoffentlich der erste von vielen in dieser Sache. Dennoch wollen wir betonen: Gerichte sind nicht die Antwort. Wer von oben herab urteilt, der handelt nicht emanzipatorisch. Wer sich anmaßt, Menschen wegzusperren, der ist Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Es nicht so, dass Gerichte nur konsequent freisprechen oder die „richtigen“ Menschen verurteilen müssten, damit die Welt eine bessere wird. Wir fordern: Keine Knäste für niemanden! Keine Gerichte außer Pizza und Kuchen! Feuer und Flamme der Repression! Die Meinung der Gerichte interessiert uns nicht. Deshalb bedeutet uns der Freispruch, so angenehm er auch ist, letztlich genauso viel wie eine Verurteilung. Er ist uns egal.
Hey. Geht doch mal strafrechtlich gegen RWE vor, wegen falscher Verdächtigung, damit diese Einschüchterung mit Hausfriedensbruch-Repressionen ein Ende haben und so wird RWE endlich mal verurteilt, dass wird die sicher mega ankotzen 😉
(Gibt iwo auch etwas schriftliches (Drucksache zu Hambi), wo wer von NRW Regierung RWE, dass mit dem Hausfriedensbruch anzeigen quasi „anweist“ vllt kriegt ihr die ja auch noch damit mit dran, als Mittäter o Anstifter)
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 164 Falsche Verdächtigung
(1) Wer einen anderen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Amtsträger oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer rechtswidrigen Tat oder der Verletzung einer Dienstpflicht in der Absicht verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__164.html
Wir haben mal einen ausführlicheren Artikel dazu geschrieben, warum wir so etwas nicht machen:
https://antirrr.nirgendwo.info/2019/01/16/we-dont-talk-to-cops-zu-strafanzeigen-und-aussageverweigerung/