Der Prozesstag am Montag begann mit einer gewissen Anspannung, schließlich waren beide Verteidiger*innen der Angeklagten nicht da – Richterin Dr. Zieschang hatte den Termin festgelegt und sämtliche angebotenen Termine der Verteidigung ignoriert. So verfuhr sie auch heute wieder am Ende des Prozesses – Fortsetzungstermine wurden festgelegt auf den Mo, 4., Di, 19. und Mo, 25. März 2024 – jeweils um 11 Uhr ohne die Angeklagte dazu auch nur zu Wort kommen zu lassen.
Aber zurück zum Anfang: Draußen vor dem Gericht wurde die Mahnwache aufgebaut, diesmal wurden dort Postkarten an Gefangene geschrieben. Drinnen hatten sich erneut einige dem Gericht wohl bekanntere Personen Plätze vorreserviert, während die Wartenden, die eine dreiviertelstunde vor Beginn der Verhandlung erschienen waren, noch nicht eingelassen wurden – kein Problem für die Richterin. Die Angeklagte hatte im Vorfeld den Antrag auf Zulassung einer weiteren Wahlverteidigung gestellt, der jedoch nicht vor Prozessbeginn entschieden wurde. Die Richterin fragte nach Vorstrafen der Person, wozu diese keine Angaben machte. Es folgte der Hinweis, dass die Genehmigung zurück genommen werden könne, sollten sich im Nachhinein Vorstrafen herausstellen – und die Verteidigung wurde zugelassen
Als nächstes überraschte Ober-Amtsanwältin Quantius (Vertreterin der Staatsanwaltschaft) mit einer Anregung, das Verfahren bezüglich des Vorwurfs des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte einzustellen. Dem folgte das Gericht mit der Zustimmung der Verteidigung und so wird jetzt nur noch wegen Störung öffentlicher Betriebe verhandelt.
Einer der Zeugen war wohl ohne Abmeldung nicht erschienen, jedenfalls frage die Richterin nach, wo er denn sei, zur zweiten gab es keine Auskunft vom Gericht. Nur eine Polizistin war tatsächlich gekommen – in Uniform. Als erstes musste sie auf Antrag der Verteidigung ihre Waffe im Schließfach des Gerichts wegschließen, dann konnte die Vernehmung starten. Diese Beamtin war zwar mal kurz auf den Gleisen für den Überblick, hatte jedoch damals vor allem im Auto Berichte und eine Gefahrenprognose geschrieben. Auf die Frage, ob denn die Feststellung stimmen würde, dass vor allem weibliche Personen die Aufgabe hätten Berichte zu schreiben, räumte sie ein, dass das so sein könne, aber nicht beabsichtigt sei und darauf nicht geschaut würde. Die Zeugin war so ziemlich das exakte Gegenteil vom ersten RWE-Zeugen, der auf alle Fragen mit ausführlichen Monologen antwortete, von ihr gab es meist nur ein knappes „ja“ oder „nein“. Sie konnte sich zwar an den Einsatz erinnern, war jedoch erst nachmittags dort und hatte weder die Ankettvorrichtungen genauer angeschaut, noch konnte sie sich an die Angeklagte erinnern. Sie gab eine allgemeine Beschreibung ab, wie das mit der Zuordnung von Personen zu Nummern über den Bearbeitungsweg laufe.
Sie beschrieb die Einstufung der Aktion als Versammlung durch die Polizei und verwies für Belehrungen auf Protokolle. Länger gelöchert wurde sie von der Verteidigung zur Gefahrenprognose, konnte jedoch nicht erklären, wie das Verkleben der Fingerkuppen Fristen verlängere oder aus welchen Anhaltspunkten genau sie geschlossen habe, dass weitere Aktionen zu erwarten wären. Sie verwies auf den allgemeinen Erfahrungsschatz ihrer Kolleg*innen, konnte jedoch keinen einzigen konkreten Fall nennen, wo sich Personen direkt wieder angekettet hätten. Dass Personen auf Grund ihrer Gefahrenprognose für bis zu 7 Tage eingesperrt wurden hielt sie für „nicht unberechtigt“. Die konkreten Gesetzesgrundlagen hätte sie zwar beim Schreiben der Prognose parat, Fragen zur gesetzlichen Grundlage könne sie aber heute nicht beantworten. Das konkrete Gesetz (gemeint war das Polizeigesetz) kenne sie nicht so gut. Auch eine Aussage.
Fragen dazu, welche Auswirkungen das Kohlekraftwerk Neurath habe und ob die Polizei gegen RWE schon mal strafrechtlich ermittelt habe oder gefahrenabwehrrechtlich tätig geworden sei, regten Staatsanwältin und Richterin auf. Die Staatsanwältin verbot sogar selbst eine Frage, auf Einwand der Verteidigung, dass sie nicht zuständig sei, bestätigte die Richterin dann das Verbot der Frage. Im Zweifel gegen die Angeklagte.
Die Zeugin wurde entlassen, sie war noch kaum draußen, da bestimmte Frau Dr. Zieschang schon die Fortsetzungstermine. Die Einwände der Angeklagten, dass diese Termine nicht mit ihrer Anwältin abgesprochen seien, verwarf sie mit einem „die ist nicht hier“ – vollkommen ungeachtet der Tatsache, dass dies Schuld der Richterin mit der letzten Terminierung war. Dann wies die Richterin darauf hin, dass beim nächsten Verhandlungstag auch in Abwesenheit der Angeklagten verhandelt werden könne oder diese bei nicht-Erscheinen vorgeführt werden könne oder auch ein Haftbefehl gegen sie erlassen werden könne. Auf Nachfrage der Angeklagten, wovon das denn abhängig sei, war die Antwort, dies hinge davon ab, ob das Gericht die Anwesenheit der Angeklagten für notwendig erachtet. Sprich Frau Doktor entscheidet dann nach Lust und Laune ob sie noch weitere Repressions- und Einschüchterungsmaßnahmen durchdrückt oder halt auch nicht.
Nach einer kurzen Stellungnahme, dass die Zeugin unglaubwürdig sei, weil sie sich nur an ihren direkt vor der Verhandlung gelesenen Bericht erinnere, war der Prozesstag dann auch schon vorbei.