Ende 2021 blockierten parallel zur COP in Glasgow Menschen mit Ankettaktionen an den Schienen zum Kohlekraftwerk Neurath dessen Versorgung mit Kohle. Das Kraftwerk wurde in der Folge gedrosselt, ein Block ganz heruntergefahren. Dutzende Aktivist*innen waren beteiligt, doch vor Gericht geht es primär um vier Personen, die sich angekettet haben sollen.
„Die gute Dame ist draußen und tanzt. Ja, Sie ist draußen vor der Tür und tanzt. Also is jetzt wirklich wahr.“
Mit diesen Worten schilderte ein Justizwachtmeister der Richterin Dr.Zieschang am Amtsgericht Grevenbroich das Verhalten der Angeklagten, die es vorzog, nicht zur Urteilsverkündung im Gericht zu sein. Zuvor hatte sie ein ca 45minütiges letztes Wort vorgetragen und danach beschlossen, das Gebäude zu verlassen.
Keine der anwesenden Personen war überrascht, dass 9 Monate ohne Bewährung für Störung öffentlicher Betriebe verhängt wurden, denn einige Monate zuvor war vor dem gleichen Gericht von der gleichen Richterin in nahezu identisch gelagerter Sache bereits eine Person zu 9 Monaten ohne Bewährung verurteilt worden.
Besonders strafschärfend wurde die Tatsache bewertet, dass sich die Angeklagte weder distanziert habe noch Reue zeigte und daher keine positive Prognose vorläge. Eine positive Prognose für das Klima auf diesem Planeten sieht hingegen die Angeklagte nicht, wenn die Gerichte sich weiter zu Erfüllungsgehilfen von RWE machen.
Sie wird dagegen in Berufung gehen, wie es auch schon die zuvor verurteilte Person getan hatte, die deswegen aktuell in Mönchengladbach vor dem Landgericht steht. Dort wird der Prozess am 2. und 12. Januar jeweils um 9.30 Uhr fortgesetzt und eventuell soll es auch noch am 19. Januar um 13.30 Uhr weiter gehen. Vorm Amtsgericht Grevenbroich gibt es jeweils Montags um 11 Uhr, am 15.1., 22.1. und 29.1. Prozesstermine gegen die dritte Angeklagte.
Das Urteil ist außergewöhnlich hoch, hatte es in der Vergangenheit für vergleichbare Aktionen doch oft Einstellungen oder Geldstrafen gegeben. „Auch wenn wir davon ausgehen, dass dieses Urteil keinen Bestand haben wird, ist es schon erschreckend genug, dass eine solche Entscheidung nicht zu einem Aufschrei führt“ so die Verteidigerin. „Verurteilt wird hier nicht eine Aktion, sondern insgesamt eine Klimabewegung, die sich nicht einschüchtern lässt. Eine Bewegung, die darauf beharrt, dass radikale Veränderungen nicht auf rein appellativem oder symbolischem Weg, sondern durch provokante Aktionen bewirkt werden.“
„Der Staat versucht hier gerade Aktivist*innen abzuschrecken und jetzt sind es zufällig wir, die für ein Exempel her halten müssen. Vielleicht eignen wir uns auch gut, weil wir uns für eine offensive Prozessstrategie entschieden haben, die auch in Grevenbroich Veränderung bewirken soll.“ ergänzt die Angeklagte, „so habe wir uns beispielsweise immer über solidarische Aktionen gefreut“.
Rund um die Prozesse gab es fast immer weitere Aktionen, welche Kohleausstieg und Sinn und Unsinn der Justiz thematisierten. Breit diskutiert wurde bereits vorab ein Camp gegen Haft und Kohlekraft im Sommer zu einem der Prozesstage, inklusive Aktionsralley durch Grevenbroich. Auch plakatierte Beweistatsachen und Justizkritik oder aufgetauchte gefälschte Schreiben vom Amtsgericht Grevenbroich gaben Gesprächsstoff. Heute wurden in der Fußgängerzone Spenden für RWE gesammelt, für das arme RWE, dem trotz Milliardenzahlungen für den sogenannten Kohleausstieg ihr durch Aktionen entgangenen Gewinne doch so arg zu schaffen machen. Überraschenderweise fanden einige Menschen die Argumentation, dass RWE so arm dran sei wegen der bösen Klimaaktivist*innen überzeugend und spendeten 5 € – die dann an RWE übergeben werden, vermutlich an einem der nächsten Verhandlungstage.
„Wir haben uns das nicht ausgesucht hier angeklagt zu werden, aber wir werden versuchen das beste daraus zu machen und freuen uns währenddessen, wenn Menschen aktiv bleiben oder aktiv werden – denn leider bleibt es notwendiger denn je, direkt in die Abläufe einzugreifen.“ schließt die Angeklagte.
Zum Nachlesen findet ihr hier noch:
Update: Die Angeklagte hat Berufung eingelegt, vorm Landgericht wird das ganze also im nächsten Jahr nochmal wieder aufgerollt.
Gibt’s ne Möglichkeit, einen Brief in den Knast zu schreiben?
Noch ist niemand der Beteiligten im Knast (und in der Berufung kann sich das Urteil auch nochmal ändern). Wenn tatsächlich wer wegen der Aktion in den Knast muss, veröffentlichen wir die Adresse hier, dann gibt es auch eine Möglichkeit zu schreiben.