Spezifische Straftaten näher erklärt

Hausfriedensbruch

§123 Strafgesetzbuch beschreibt den Hausfriedensbruch. Man kann sich diesen auf zweivverschiedene Arten und Weisen zu Schulden kommen lassen: man begibt sich auf ein befriedetes Gelände/ in einen Raum, der einer anderen Person gehört, oder aber man entfernt sich auch auf Aufforderung einer dazu berechtigten Person hin nicht von einem solchen Privatgelände. Es ist hierbei umstritten, ob z.B. Schilder auf einem Erdwall ausreichen, um das Gelände als umfriedet zu bezeichnen. Hausfriedensbruch ist ein Antragsdelikt, das heißt, er wird nur strafrechtlich verfolgt, wenn der*die Besitzer*in des Geländes dies verlangt. Die maximale Strafe beträgt ein Jahr Freiheitsentzug.
Teils wird Hausfriedensbruch von Unternehmen wie RWE als Grundlage genutzt, um auch zivilrechtliche Schritte zu unternehmen, also z.B. die Unterschrift einer
Unterlassungsverpflichtungserklärung zu verlangen. Dabei handelt es sich aber um ein vollständig von den strafrechtlichen Prozessen, die ein Hausfriedensbruch nach sich ziehen kann, separiertes Verfahren.

Was hat es in den Verhandlungen zu Hausfriedensbruch-Vorwürfen damit auf sich, dass es immer wieder um Erdwälle u.ä. geht? Nach §123 Strafgesetzbuch (Hausfriedensbruch) kanneine Person dann belangt werden, wenn sie sich auf Privatgelände begibt – entweder muss sie sich trotz der Aufforderung einer dazu berechtigten Person nicht von dort entfernen, oder aber das Gelände war von vornherein ganz klar als privat zu erkennen (durch „Umfriedung“, also zum Beispiel einen Zaun). Ob in größeren Abständen angebrachte Schilder und Flatterbänder, die durchaus zu übersehen sind, oder eben möglicherweise nicht durchgängige
Erdwälle als erkennbare Umfriedung ausreichen, ist aber juristisch stark umstritten.

In den meisten Verfahren wegen Hausfriedensbruch im Tagebau konnte keine vollständige Umfriedung des Tagebaus nachgewiesen werden, es erfolgten etliche Freisprüche und Einstellungen.

Landfriedensbruch

– klingt erst einmal ähnlich wie Hausfriedensbruch und kann mit diesem auch gemeinsam verfolgt werden, unterscheidet sich aber doch recht stark von ihm: §125 Strafgesetzbuch beschreibt, dass Personen, die aus einer Menschenmenge heraus die öffentliche Sicherheit gefährden, oder an einer Zusammenrottung, von der Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Dinge begangen werden (z.B. Körperverletzung, Sachbeschädigung), des Landfriedensbruchs schuldig sind. Bei einer Verurteilung kann eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren drohen.

Nötigung

Für diesen Newsletter haben wir beschlossen, mal wieder eine Straftat näher zu erklären, damit wir zumindest auch ein bisschen verstehen, was uns vorgeworfen wird. Wir nehmen diesmal einen der Standardvorwürfe bei Blockaden, nämlich die Nötigung, § 240 im Strafgesetzbuch. Hier haben schon viele Gerichte was zu gesagt, das ist in sich oft nicht besonders logisch und insgesamt wird es dadurch relativ kompliziert. Aber wir bemühen uns mal den aktuellen Stand bei dem Vorwurf grob und verständlich zusammen zu fassen.

Gesetzestext

Im Gesetz steht: „Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Dann folgt noch, dass die Handlung nur strafbar ist, wenn sie verwerflich ist, dass der Versuch strafbar ist und das es besonders schwere Fälle gibt. Um so Gesetze zu verstehen, schauen wir uns das der Reihe nach an.

Was hat das mit uns zu tun?

Ganz konkret begegnet uns der Vorwurf, wenn Menschen Ankett-, Ankleb-, Abseil- oder Sitzblockaden vorgeworfen werden, kurzum eigentlich bei allem was irgendwie blockiert. Da erkennen wir dann einen Teil wieder, nämlich das Menschen nicht unbedingt dahin gelangen können wo sie wollen, sie also gezwungen sind, etwas anders zu machen als sie wollten. Blockaden dienen in der Regel tatsächlich dazu, etwas zu verhindern. Strafbar bei einer Nötigung ist das allerdings nur wenn es konkrete Personen betrifft, also konkrete Autofahrer*innen oder Lokführer*innen. Das allgemein eine Strecke gesperrt ist, reicht eigentlich nicht (also manchen Gerichten schon, aber das ist eben die Willkür der Gerichte).

Gewalt

Und was haben so Blockaden mit Gewalt oder Drohungen zu tun, ist jetzt die nahe liegende nächste Frage. Auf den ersten Blick sind das doch meistens relativ gewaltfreie Aktionen. Aber habt ihr schon mal versucht, zu definieren, was Gewalt ist? Versucht das mal und ihr merkt schnell, wie schwierig das eigentlich ist. Und die Gerichte haben da nochmal ihre ganze eigene Definition von geschaffen, wohl auch getrieben von dem, was sie bestraft sehen wollten. Und nach der aktuellen Rechtsprechung, also dem was obere Gerichte wie das Bundesverfassungsgericht gesagt haben, ist es halt Gewalt im Sinne der Nötigung, wenn physische Hindernisse errichtet werden, die nicht bloß psychisch sind. Sitzblockierende sind für die Gerichte ein psychisches Hindernis, denn Autos und LKW könnten drüber fahren, so theoretisch. Also haben viele Gerichte bisher entschieden, dass reine Sitzblockaden eben keine Nötigung ist. (Fürs Angeben mit Fachwissen: Das steht in der 1. Sitzblockadeentscheidung des Bundesverfassungsgerichts.) Es gibt auch die zweite Sitzblockadentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, da wird dann wieder zurück gerudert: Wenn durch eine Sitzblockade eine Reihe Autos angehalten wird und dahinter eine zweite Reihe steht, wird durch die erste Reihe, die ein physisches Hindernis ist, dann doch Gewalt auf die dahinter stehenden ausgeübt, so das Gericht.

In Ankett- oder auch Anklebeaktionen sehen die meisten Gerichte durch die Verbindung mit der Schiene oder Straße dann doch ein physisches Hindernis und verurteilen solche Blockaden als strafbare Nötigung. In Formulierungen wie dass durch die Verbindung zur Schiene durch das Hindurchführen eines Rohrs eine Gewaltausübung entsteht, ist auch klar zu merken, dass es hier nicht um Logik geht, sondern darum unpassendes Verhalten zu bestrafen.

Verwerflichkeit

Einer der Ansatzpunkte in Prozessen wegen Nötigung ist die Verwerflichkeit. Nötigung ist nämlich nur rechtswidrig, „wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.“ – so steht es im Gesetzestext. Nun, wir sind natürlich immer der Auffassung, dass Straßen, Kraftwerke oder anderen Scheiß zu blockieren nicht verwerflich ist – schließlich sind unsere Ziele richtig und die Klimakrise muss irgendwie aufgehalten werden. Weil aber der Staat uns lieber doch verfolgen will, sagt die Justiz, dass bei dieser Prüfung sogenannte Fernziele (also alles was auf politische Veränderung in der Zukunft abzielt) nicht zu beachten sind bei der Prüfung ob die Tat verwerflich war. In der Praxis macht das aber auch notwendig, dass immer abgewogen werden muss, zwischen Versammlungsfreiheit und den Einschränkungen beispielsweise durch eine Blockade. Da geht es dann um die Dauer, ob die Personen, die eingeschränkt sind, unbeteiligt sind oder zum kritisierten Gegenstand einer Versammlung gehören, ob es Umleitungen gab usw. Das gibt dann viele Möglichkeiten sich zu verteidigen und auch politische Ziele bei der Prozessführung zu thematisieren, aber auch viel Platz für die Willkür von Richter*innen.

Verschärfungen

Gerade in den letzten Jahren ist zu beobachten, wie der Nötigungs-Paragraf auf immer mehr Sachen angewendet wird und beispielsweise Sitzblockaden oder Blockaden mit geringem Materialeinsatz wie beim Ankleben als Nötigung verfolgt werden und auch immer höhere Strafen verhängt werden (bis hin zu Haftstrafen mit und ohne Bewährung).

Autobahnabseilaktionen

Das lässt sich auch gut anhand einer bestimmten Aktionsform sehen, wie kreativ die Gerichte da werden um zu verurteilen. Es geht um Menschen, die sich mit einem Transparent oberhalb einer Autobahn von (Schilder-)brücken abseilen. Dabei bleiben sie stets außerhalb der Fahrbahnhöhe und hängen also eigentlich gar nicht im Weg. Um das trotzdem zu verurteilen, behaupten Gerichte, die Menschen hätten die Polizei als willenloses Werkzeug (ja wirklich!) benutzt, um die Autobahn zu sperren. Damit hätten sie die Polizei als Nötigungsmittel benutzt und durch die Polizei Gewalt auf die Autofahrer*innen ausgeübt. Das steht so tatsächlich in einigen Urteilen, die Aktivist*innen deshalb zu Geldstrafen oder sogar Haftstrafen auf Bewährung verurteilten. Daneben gab es allerdings auch einige Freisprüche von Richter*innen, die dem dann doch nicht folgen wollten. Obwohl das Thema auch schon in Jura-Klausuren diskutiert wird, gibt es noch wenige Entscheidungen von höheren Gerichten, die Entwicklung da bleibt also spannend – und für die Betroffenen gibt es weiter Ungewissheit.

So lässt sich aber an diesem konkreten Vorwurf auch ablesen, wie willkürlich Rechtsprechung so sein kann und dass es einen großen Einfluss hat, was gesellschaftlich gerade gewollt ist zu bestrafen und was nicht – und dass die Büttel der Justiz dann oft nur die Ausführenden davon sind.

Wer die Praxis des Nötigungs-Vorwurf zur Verfolgung politischer unliebsamer Aktionen nochmal erklärt bekommen will, findet hier auch ein gutes Video aus der Projektwerkstatt Saasen zum Thema: https://www.youtube.com/watch?v=uAomlFcPSic&feature=youtu.be&themeRefresh=1