Knast / Untersuchungshaft

Immer wieder landen Menschen auch wegen ihren Aktionen für Klimagerechtigkeit im Knast, oft plötzlich und eher unerwartet, manchmal anonym. Das ist für die drinnen und auch die Freund*innen draußen eine ungewohnte, oft beschissene Situation. Manchmal wird sie ein bisschen leichter, wenn Menschen wissen, was sie erwartet und sich und ihr Umfeld vorbereitet haben. Generell werden Aktivist:innen der Klimagerechtigkeitsbewegung eher selten vor Gericht zu langen Haftstrafen verurteilt, sondern zu Geldstrafen. Und selbst wenn dich ein Gericht zum Freiheitsentzug verurteilt, hast du in der Regel noch etwas Zeit bis zum Antritt der Haftstrafe – du wirst also meistens nicht aus dem Gerichtsgebäude geschleift und direkt hinter Gitter gebracht. Was allerdings immer wieder vorkommt, ist die U-Haft als „Aufbewahrung“ einer angeklagten Person von der Festnahme bis zum Gerichtsprozess.

Wann landen Menschen in U-Haft?

Es gibt verschiedene Arten von Haft. Das was uns oft überrascht, ist die Untersuchungshaft, kurz U-Haft. Wenn Menschen von der Polizei festgenommen werden und ihnen Straftatsvorwürfe gemacht werden, werden sie entweder bis zum nächsten Tag oder nach einigen Tagen im Polizeigewahrsam freigelassen oder es gibt eine Haftrichter*innen-Vorführung. Diese Haftrichter*in entscheidet dann ob die Person frei oder in den Knast kommt. Damit wer in den Knast kommt braucht es formell zwei Dinge: Einmal den Vorwurf einer Straftat mit dringendem Tatverdacht, also dass die Polizei sich ziemlich sicher ist, dass die Person die Straftat begangen hat, und dann zusätzlich einen sogenannten Haftgrund. Haftgründe sind Fluchtgefahr oder Verdunkelsgefahr. Bei besonders schweren Straftaten reichen auch die Taten an sich oder eine Wiederholungsgefahr. In unserer Antirepressionspraxis sehen die Gerichte eigentlich immer die Fluchtgefahr, beispielsweise wenn Menschen ihre Personalien verweigern.

Wie immer bei Gerichten ist also auch wieder viel Willkür dabei. Unsere Erfahrungswerte zur Anordnung von Untersuchungshaft unterscheiden sich stark nach Bundesländern und vorgeworfenen Straftaten. In Brandenburg beispielsweise wurde schon bei Hausfriedensbruch (Tagebau betreten) in Zusammenhang mit Personalienverweigerung U-Haft verhängt, im Rheinland arbeiten die Repressionsbehörden da eher mit verlängertem Gewahrsam und weniger mit U-Haft. Bei bekannten Personalien kann es trotzdem auch zur U-Haft kommen, in den meisten uns bekannten Fällen geschah dies bei schwereren Vorwürfen wie beispielsweise tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Fluchtgefahr wird auch häufiger angenommen, wenn Menschen einen Wohnsitz im Ausland oder gar keine Meldeadresse oder einfach genug linke Freund*innen im Ausland haben.

Grundsätzlich geht Untersuchungshaft bis zum Prozess, eigentlich längstens für sechs Monate, aber wenn sie wirklich wollen, gibt es Wege auch das zu verlängern.

Haftprüfung und Anwält*innen

Bei der Haftprüfung selbst habt ihr Anrecht auf eine*n (Pflicht-)Verteidiger*in. Wenn möglich, lasst euch wen vom Ermittlungsausschuss vermitteln oder von Antirepressionsgruppen aus der Region, am besten wen mit Erfahrung in politischen Verfahren. Das meiste der Kommunikation in nächster Zeit zwischen euch und draußen läuft über die Anwält*innen, da ihr nur zu denen relativ direkt Kontakt aufnehmen könnt. Wenn ihr den Kopf dafür habt, gebt also direkt weiter, an wen die sich draußen wenden können, was über einen Fall (nicht) veröffentlicht werden soll und worum sich direkt gekümmert werden muss.

Im Knast

Hat der*die Haftrichter*in entschieden, kommt ihr in den Knast, Justizvollzugsanstalt (JVA) ist das formelle Wort dafür und es gibt einige Unterschiede zu Polizeigewahrsam (dazu haben wir in einem der letzten Newsletter schon viel geschrieben: https://antirrr.nirgendwo.info/files/2022/02/news-17-DE-01.pdf). Knäste sind darauf eingestellt, dass Menschen länger bleiben, das heißt es gibt zum Beispiel Bücher, manchmal Radio und Fernsehen als Beschäftigung, die Zellen sehen eher aus wie Jugendherbergszimmer – mit Gittern vorm Fenster und Türen, die von außen geschlossen werden.

Erst passiert alles ganz schnell, dann ist plötzlich viel Zeit. Ein paar Dinge, um die ihr euch direkt kümmern könnt:

  • nach Blankoanträgen fragen, am besten direkt 3 oder mehr, und fragen, wie genau die auszufüllen sind (evtl nach eurer Station und Zellennummer fragen)
  • nach was zu schreiben fragen, ggf. beantragen
  • Briefmarken und Umschläge beantragen (1-2 bekommt ihr je nach Bundesland am Anfang kostenlos. Manchmal könnt ihr auch Seelsorger*innen danach fragen.)
  • eure Buchnummer (Nummer die ihr vom Knast für alles Formale bekommt) über Anwält*in nach draußen geben (für Post, Geldüberweisungen)
  • rausfinden wie das mit dem Einkauf, Telefonieren, Post und Waschen im Knast funktioniert
  • euch das Justizvollzugsgesetz eures Bundeslandes schicken lassen, am besten als Anwält*innenpost (da drin stehen viele Rechte, die die Bediensteten euch nicht unbedingt verraten)
  • insb. vor dem 1. Einkauf und in Quarantäne sollten Spüli, Menstruationszeug, Seife und Zahnputzzeug in der Zelle sein – fragt im Zweifelsfall Mitgefangene, was sie haben und verlangt danach
  • nach Büchern, Zeitungen, Radio und Beschäftigung fragen
  • Falls euch gesagt wird, dass ihr keine Post abschicken dürft wegen evtl noch kommender Postkontrolle: Diese Anordnung funktioniert nicht rückwirkend und nur (!) bei Terrorverdacht ist Anwaltpost mit eingeschlossen. Solange euch keine gerichtliche Anordnung vorliegt, habt ihr keine Postkontrolle. Die JVA kann vorläufige Postkontrolle anordnen, aber nur für wenige Tage, die muss begründet werden und die Anordnung müsst ihr schriftlich bekommen.

Das Knastsystem selbst ist sehr formalisiert, hierarchisch und repressiv. Für die meisten Dinge, die ihr wollt, müsst ihr Anträge schreiben. Es gibt dann Regeln, wann und wo ihr die Anträge abgeben müsst. Einige Ideen für Anträge:

  • ein Anwält*innentelefonat (mind. 1x kostenlos, evtl auch öfter)
  • Taschengeld zum einkaufen und telefonieren
  • ein Starterpaket (falls ihr Geld mitgebracht habt könnt ihr Tabak und/oder Kaffe kaufen auch vor dem 1. regulären Einkauf)
  • Sport mit machen dürfen
  • Gottesdienstbesuch (zum andere treffen)
  • veganes Essen (unterschiedliche Erfolgschancen, auf vegetarisches, koscheres, halal oder andere religiöse Ernährung habt ihr ein Recht)
  • Besuche
  • Fernseher/Wasserkocher/Radio (auf zumindest ein Radio habt ihr je nach Bundesland ein Recht)

Meistens gibt es einen festen Tagesablauf. Eine Stunde Hofgang am Tag steht euch zu, ansonsten ist das sehr unterschiedlich, manchmal seid ihr den Rest der Zeit allein auf der Zelle, in vielen Knästen gibt es aber auch Zeiten für Aufschluss/Umschluss (bei dem die Türen auf einer Station auf sind und ihr andere treffen oder in einer Küche kochen könnt) oder Gruppenaktivitäten, bei denen ihr beantragen könnt, teilnehmen zu dürfen. All das sollte in der Hausordnung stehen, wenn ihr diese nicht ausgehändigt bekommt, fragt danach.

Genereller Tipp: Die Bediensteten (auch Schließer*innen genannt) haben erschreckend wenig Ahnung vom Justizvollzugsgesetz und lügen auch gerne mal. Aber es sind nicht alle gleich dumm oder kacke. Wenn eine*r was verbietet, fragt den*die nächsten, es lohnt sich. Die meisten Infos bekommt ihr allerdings besser von Mitgefangenen, ohne Fragen gibt es gar keine Infos.

Von draußen

Die Situation von der anderen Seite: Eur*e Freund*in ist plötzlich eingesperrt, ihr wisst nicht wie es der Person geht und seid vollkommen überfordert, was jetzt passieren soll und dabei ist auch von draußen einiges zu tun. Ein paar Dinge, die uns so eingefallen sind: Kontakt zu Anwält*in aufbauen und halten, darüber die inhaftierte Person kontaktieren, herausfinden wie das mit Besuch, Paketen und Post funktioniert, Geld sammeln und überweisen, sich um Veröffentlichungen und Soli-Kundgebungen vorm Knast kümmern.

Wenn Sicherungsmaßnahmen für die U-Haft angeordnet sind, geht alle Post durch die Zensur, das heißt es dauert möglicherweise mehrere Wochen bis Briefe ankommen. Auch Besuche müssen dann bei Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft beantragt werden. Im Zweifel die Besuche an allen möglichen Stellen (also auch noch dem Knast) gleichzeitig beantragen, das erspart evtl das hin-und-her-verwiesen-werden und damit ein bisschen Zeit.

Soli-Kundgebungen vorm Knast ermöglichen nicht nur euren, sondern auch anderen Gefangenen eine nette Unterbrechung der täglichen Langeweile. Bitte denkt da an alle und fordert nicht nur Freiheit für eure Leute. Und bedenkt die frühen Schlafenszeiten im Knast, also lieber ein Nachmittags-Konzert als eine Abendveranstaltung.

Vorbereitung

Für alle Beteiligten wird es einfacher, wenn ihr im Vorhinein überlegt habt, wie das im Falle einer Inhaftierung laufen soll. Die Menschen draußen können euch reinschicken, was ihr gerne habt und wissen das direkt, sie können sich um Veröffentlichungen kümmern unter den Namen und Bedingungen, die ihr vorher überlegt habt und ihr könnt euch drauf verlassen, dass das schon passiert und nicht Wochen vergehen, bis eine Rücksprache zwischen drinnen und draußen stattfinden konnte. In den meisten Fällen finden wir Veröffentlichungen sinnvoll, sie ermöglichen Solidarität, z.B. Briefe aus Schreibcafés – und ein Brief kann da drin einen Tag retten.

Aber auch für drinnen ist es einfacher mit ein bisschen Gefühl dazu, wie Knast so ist, damit ihr wisst, worauf ihr euch einlasst (zum Beispiel wenn ihr euch für Personalienverweigerung auch dann noch entscheidet). Denn in der Gesellschaft sind Knäste nicht so oft Thema, da reichen die Reaktionen von: „Wie ihr habt kein Internet?“ bis zum Klischee von Wasser-und-Brot und realistische Vorstellungen sind selten.

Für weitere Informationen gibt es ein nützliches Buch „Wege durch den Knast“, das sowohl Tipps für den Aufenthalt dort gibt, als auch Sportübungen und juristische Wege gegen Knastschikanen zeigt.

Etliche Menschen haben berichtet und aus ihren Knastaufenthalten geschrieben. Hier ein paar relativ willkürliche Links für einige Eindrücke (kleine Warnung: fangt dann an zu lesen, wenn ihr da grade drauf klar kommt):

Wenn ihr wissen wollt, wie es im Knast ist und zu einer Geldstrafe verurteilt werdet, könnt ihr diese auch teilweise absitzen und so etwas priviligierter (weil ihr bei Zahlung rauskommt) im Knast landen. Briefe aus dieser Erfahrung findet ihr hier und noch ganz viel im sonstigen Internet:

Zur Vermittlung von Referent*innen für reale Erfahrungen oder Veranstaltungen zu Knastkritik könnt ihr euch auch an law_and_order[ät]nirgendwo.info wenden.

Zum Schluss

Knast soll abschrecken, damit Aktivist:innen sich aus Angst vor Repressionen weniger engagieren. Gemeint sind wir immer alle, wenn sie an einzelnen von uns ein Exempel statuieren. Umso mehr muss das heißen unsere Freund*innen nicht allein zu lassen, Briefe zu schreiben, Soli-Aktionen zu machen und Knäste generell zu bekämpfen. Denn Gefängnisse lösen keine Probleme, sondern sie schaffen neue. Die Gewalt des Systems dort erzeugt neue Gewalt und die soziale Isolation verhindert bessere Problemlösungen zu finden.

Also: Freiheit für alle!