Immer wieder bekommen wir in der Beratung die Frage danach wie das eigentlich mit Einträgen im Führungszeugnis ist und ob die geplanten Aktionen und erwarteten Repressionen Einfluss auf den Job oder den geplanten Einstieg ins Berufsbeamtentum haben.
Zum Einstieg sei gesagt: Repression ist unberechenbar. Das ist ein zentraler Bestandteil davon, der uns einschüchtert, eben dass wir nie genau sagen können, was bei einer Aktion nachkommt. Manchmal nichts, manchmal doch unerwartet viel, weil irgendwelche Bullen sich beispielsweise Fußtritte ausdenken. Ein Stück weit ist eine Entscheidung für Aktionen immer auch eine Entscheidung, sich auf dieses ungewisse Spielfeld zu begeben mit nur angeblich klaren Regeln. Dennoch: Mehr Wissen hilft oft, deshalb versuchen wir euch einige Begriffe zu erklären, damit ihr im Jura-Wirr-Warr mehr Durchblick bekommt.
Geldstrafen und Tagessätze
In der BRD sind die meisten verhängten Strafen Geldstrafen, berechnet werden sie in Tagessätzen. In der Verurteilung gibt es sowohl eine Anzahl an Tagessätzen, welche die eigentliche Höhe der Strafe darstellt (und damit vergleichbar ist) als auch eine Höhe der Tagessätze, die nach dem Einkommen berechnet wird. Beispielsweise gibt es Menschen, die wegen Hausfriedensbruch (also dem unbefugten Eindringen z.B. auf einen Kohlebagger) eine Strafe von 30 Tagessätzen zu je 15 Euro bekommen. Insgesamt wären das also 450 Euro, also ein Monatsverdienst den das Gericht oft bei Hartz-IV-Empfänger*innen annimmt. Wird mehr Geld verdient wäre das entsprechend mehr. Entscheidend für Führungszeugnisse und ähnliches ist jedoch immer die Anzahl an Tagessätzen.
Bundeszentralregister
Jede (strafrechtliche) Verurteilung wird im Bundeszentralregister eingetragen. Auch ein unwidersprochener Strafbefehl ist eine Verurteilung (auch deshalb immer Einspruch einlegen). Das Bundeszentralregister ist eine Liste, die vom Bundesamt für Justiz geführt wird. Gerichte und Staatsanwaltschaften können daraus Auszüge für andere Verfahren bekommen, die werden dann oft im Gericht bei Verhandlungen verlesen. Da stehen dann die gesammelten Verurteilungen drin (es sei denn sie sind verjährt, dazu später mehr). Es gibt ein extra Gesetz für das alles, das Bundeszentralregistergesetz (BZRG).
Verurteilungen aus dem Ausland kommen rein, wenn eine Person die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder in der BRD wohnt oder geboren ist.
Führungszeugnis
Ein Führungszeugnis kann jede Person über 14 auch selbst beantragen (§30 BZRG). Manche, auch ganz ’normale‘ Arbeitgeber*innen verlangen die Vorlage davon und können das dann bei ihrer Entscheidung über eure Einstellung zum Kriterium machen. Da landet aber nicht jede Verurteilung, sondern es gibt Ausnahmen. Die relevanteste ist, dass Verurteilungen bis zu 90 Tagessätzen (oder 3 Monaten) nicht drin landen, so lange es nicht mehrere solcher niedrigerer Verurteilungen gibt. Wenn du also einmal zu einer geringen Geldstrafe verurteilt wurdest, steht das nicht im Führungszeugnis. Du darfst dich übrigens als „unbestraft“ bezeichnen, wenn in diesem Führungszeugnis nichts auftaucht.
Erweitertes Führungszeugnis
Es gibt bestimmte Vorschriften, nach denen ein erweitertes Führungszeugnis verlangt werden darf – das muss dir dann aber bestätigt werden, dass du das brauchst. Generell gilt das für die Arbeit mit Minderjährigen, kann aber auch für weitere Bereiche gesetzlich geregelt werden. In dem erweiterten Führungszeugnis tauchen einige Verurteilungen auch unter 90 Tagessätzen eben doch auf. Das betrifft ziemlich genau die Straftaten, bei denen das auch logisch ist, also alles was mit sexuellem Missbrauch, Vernachlässigung von Schutzbefohlenen, Menschenhandel usw zu tun hat – nicht die Straftaten, die uns üblicherweise bei poltischen Aktionen vorgeworfen werden. (§§ 30a, 32 (5) BZRG)
Wenn du ein Gewerbe anmelden willst und das eintragen lassen willst, wird Führungszeugnis für Behörden verlangt, in dem auch Verurteilungen unter 90 Tagessätzen auftauchen, die Straftaten im Zusammenhang mit der Ausübung eines Gewerbes oder einer wirtschafltichen Unternehmung betreffen. (§ 32 (4) BZRG)
Wer darf alles sehen?
Eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister bekommen (nach § 41 BZRG) nur bestimmte Stellen: Gerichte, Staatsanwaltschaften, Justizvollzugsbehörden, Verfassungsschutzämter, Ausländerbehörden, Einbürgerungsstellen, die Kriminalpolizei, die Anwaltskammer für Zulassungen, die Arzneimittelbehörde zur Klärung der Frage, ob es eine Erlaubnis für Betäubungsmittel gibt – um die relevantesten zu nennen. Wenn du also eine Zulassung als Ärztin, Apotheker oder Anwälti erlangen willst, kann da tatsächlich jede Verurteilung eingesehen werden.
Verjährungsfristen
Jetzt wird es so richtig kompliziert, auch wenn wir der Verständlichkeit halber schon ein bisschen vereinfachen. Die Fristen berechnen sich nicht nach dem Tatdatum, sondern nach dem Datum der erstinstanzlichen Verurteilung, also der Verurteilung vorm Amtsgericht. Gab es noch Rechtsmittel und Berufungsverhandlungen sind die für die Frist irrelevant. Also wie lange das Urteil rechtskräftig ist spielt keine Rolle. Die Laufzeiten der Frist gehen nach der Strafhöhe. Grundsätzlich gilt, wenn neue Sachen dazu kommen bleiben alle Sachen, auch die alten so lange stehen bis alle Verjährungsfristen abgelaufen sind.
Jetzt gibt es zum einen Fristen für die Löschung aus dem Bundeszentralregister (§ 46 BZRG). Gelöscht werden Verurteilungen bis zu 90 Tagessätzen nach 5 Jahren, alle Geldstrafen und Bewährungsstrafen bis zu einem Jahr nach 10 Jahren und Verurteilungen über ein Jahr Freiheitsstrafe können 15 Jahre oder in Einzelfällen noch länger drin stehen bleiben. Das sind die Fristen, die also dafür gelten, was Gerichte und Staatsanwaltschaften sehen, wenn sie das nächste Mal über unsere Taten urteilen.
Zum anderen gibt es Fristen dafür, wann Sachen nicht mehr im Führungszeugnis auftauchen dürfen. (§ 34 BZRG) Für Straftaten, die mit bis zu 90 Tagessätzen (oder 3 Monaten Haft) bestraft wurden gilt eine Frist von 3 Jahren, bei über 90 Tagessätzen 5 Jahre und in bestimmten Verurteilungen mit mehr als einem Jahr Haft auch 10 Jahre. Das sind die Fristen, die wichtig sind zur Vorlage von Führungszeugnissen bei Arbeitgeber*innen.
An einem Beispiel: Wenn ihr Juni 2015 einen Hausfriedensbruch begangen haben sollt, dafür April 2017 vom Amtsgericht verurteilt wurdet, 2018 vielleicht noch eine Berufungverhandlung hattet, dann habt ihr im Mai 2020 keine Eintragung mehr im Führungszeugnis und im Mai 2022 keine Eintragung mehr im Bundeszentralregister. Wenn ihr dann wieder vor Gericht steht, ist alles so als wäret ihr nie verurteilt worden. Das alles gilt natürlich nur, wenn in der Zwischenzeit keine weiteren Verurteilungen dazu gekommen sind. Ermittlungsverfahren durch Polizei und Staatsanwaltschaft, die noch laufen sind allerdings egal.
Besonderheiten für junge Menschen
Bei Jugendlichen und Jugendstrafen (kann nur bei Menschen zum Tatdatum unter 21 Jahren passieren) werden manche Sachen früher gelöscht und aus den Führungszeugnissen gestrichen, dafür gibt es zusätzlich noch das Erziehungsregister. Da werden nicht nur Verurteilungen eingetragen, sondern auch Einstellungen wegen Geringefügigkeiten, Erziehungsmaßregeln durch Familiengerichte oder Freisprüche aus Mangel an Reife (§ 60 BZRG). Eintragungen aus dem Erziehungsregister werden entfernt, wenn du 24 wirst, außer es stehen auch noch irgendwelche Freiheitsstrafen im Bundeszentralregister.
Arbeitsverhältnisse in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst
Für die Einstellung in den öffentlichen Dienst muss ein Führungszeugnis vorgelegt werden, manchmal wird zusätzlich danach gefragt, ob es Verfahren gibt, bei denen mehr als 90 Tagessätze zu erwarten sind. Auch in der Privatwirtschaft dürfen die Unternehmen ein Führungszeugnis verlangen. Für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gilt immer, dass ein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt werden muss.
Wenn du jedoch bereits eingestellt bist, ist das schwerer dich wieder los zu werden. Gekündigt werden darfst du nur, wenn Straftaten direkt mit dem Job zusammen hängen, also zB wenn du wegen Vermögensdelikten verurteilt wurdest und beruflich mit Geld umgehen musst oder bei Verurteilungen über einem Jahr Bewährungs- oder Haftstrafe. Die Bedingungen gelten sowohl für privatwirtschaftliche als auch für die meisten Angestelltenverhältnisse im öffentlichen Dienst, welche unter den TVöD (Tarifvertrag öffentlicher Dienst) fallen.
Öffentlicher Dienst mit hoheitlichen Aufgaben
Besondere Treuepflichten gibt es nur noch für Angstellte, die unter den TVöD-V, das heißt in den Bereich der „Verwaltung“ fallen. Zudem müssen in ihrem Aufgabenbereichen auch hoheitliche Tätigkeiten ausgeübt werden. Als Beispiele dafür wird Bau- und Ordnungsverwaltung in den Kommentaren genannt, Angestellte von Jobcentern und anderen Repressionsbehörden fallen vermutlich auch in die Kategorie. Nur für diese Angestelltengruppe gilt, dass sie sich durch „ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen“ müssen. (§ 41 Satz 2 TVöD-BT-V, Art. 33 GG). Damit wären nur dort dann nach unserem Verständnis auch Kündigungen aufgrund von angenommener oder tatsächlicher Verfassungsfeindlichkeit möglich – es dürfen aber nicht so hohe Anforderungen gestellt werden wie an Beamt*innen. Insgesamt ist strittig, ob hoheitliche Aufgaben nicht eigentlich nur von Beamt*innen ausgeübt werden sollen und ob es überhaupt möglich sein soll, von Angestellten derartige Treuepflichten zu erwarten. (Kommentar von Kutzki zu § 41 TVöD BT-V)
Beamt*innen
Also auf zum nächsten Thema: Beamt*innen. Der Staat macht Menschen zu Beamt*innen, weil er sich ihnen ganz sicher sein will und schränkt damit zahlreiche ihrer Freiheiten ein. Die Verbeamtung bietet eine Art zusätzliche Bezahlung für die Abgabe von Freiheiten – aus unserer Sicht nichts, was mensch machen sollte. Schon aus dem Grundgesetz (Art. 33) ergibt sich, dass hoheitsrechtliche Befugnisse nur Menschen übertragen wird, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Als Beamte darf nur berufen werden (also eingestellt werden), wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten (§ 7 BeamtStG). Beamt*innen müssen nicht nur für die freiheitlich demokratische Grundordnung eintreten, sondern auch bei politischer Betätigung „Mäßigung und Zurückhaltung“ wahren – ein Maulkorb durch den Staat. (§ 60 BeamtStG) Auch ihr Erscheinungsbild und ihr sonstiges (auch außerdienstliches Verhalten) muss ihrem Beruf gerecht werden. (§ 61 BeamtStG).
Beobachtungen durch den Verfassungsschutz (der bekanntlich nicht kontrolliert wird) können also zum Problem werden. In den aktuellen und letzten Verfassungsschutzberichten tauchen unter anderem Ende Gelände, der Hambacher Forst, Abseilaktionen über Autobahnen und auch einzelne lokale Klimagerechtigkeitsgruppen auf. Auf dieser Grundlage können auch Menschen per Disziplinarverfahren aus dem Beamt*innen-Verhältnis wieder entfernt werden – und es kann ihnen ihr Ruhegehalt, also ihre Pensionsansprüche, aberkannt werden. Angestellte behalten ihre Rentenansprüche, wenn sie rausfliegen, Beamt*innen können diese auch noch komplett verlieren – sogar nach Eintritt in den Ruhestand.
Beamt*innen und Strafverfahren
Der Verbeamtung können schon geringe Geldstrafen entgegen stehen, weil sie dann so gewertet werden, dass die charakterliche Eignung für den Beruf fehlt. Da die obersten Bundes- und Landesbehörden direkt in das Bundeszentralregister schauen dürfen, sehen sie auch alle Verurteilungen.
Sämtliche Strafverfahren, die von der Staatsanwaltschaft gegen Beamt*innen eingeleitet werden, werden auch dem Arbeitgeber*in mitgeteilt. Gibt es eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindetens einem Jahr (auch auf Bewährung) wird das Beamtenverhältnis automatisch aufgehoben und es erlöschen auch die Pensionsansprüche. Bei Bestechung im Amt oder so Vorwürfen wie Hochverrat reicht eine Verurteilung zu einem halben Jahr Strafe (§ 24 BeamtStG).
Insgesamt ist unser Eindruck, dass oft die Angst vor Auswirkungen auf Berufswahl größer ist als die tatsächlichen Konsequenzen. Viel schwieriger unter einen Hut zu bekommen ist es tatsächlich dann zu lohnarbeiten und gleichzeitig aktiv zu sein – das ist oft die Phase, in der Menschen ihre Aktivitäten einstellen. Überlegt euch, was euch wichtig ist. Und wenn ihr die Wahl habt, lasst euch nicht verbeamten. Verzichtet doch einfach auf die paar hundert Euro mehr und bleibt freier in euren eigenen Entscheidungen, einzutreten für eine gute Sache und für die Veränderung in dieser beschissenen Welt.
Also: Bleibt weiter aktiv und widerständig!