In vielen Fällen kommen Polizei und Justiz strafrechtlich nicht so richtig weiter oder erzielen nicht den gewünschten Abschreckungseffekt. Vor allem dann kommt es vor, dass Unternehmen und Staat drohen, Menschen finanziell zu ruinieren und hohen Schadensersatz oder die Erstattung von Räumungs- oder Gewahrsamskosten fordern. Unsere Einschätzung ist, dass es gerade beim Zivilrecht mit geforderten Beträgen stark ums Drohen und Einschüchtern geht und oft weniger darum, die konkreten Geldbeträge von Einzelpersonen zu erhalten. Für uns ein Anlass uns näher damit zu beschäftigen, auch mit Strategien zum Umgang. Wir haben dazu recherchiert, sind aber zu dem Thema keine Expert*innen – deshalb gilt an dieser Stelle besonders: Alle Infos ohne Gewähr.
A. FORDERUNGEN
Schadensersatz
Es gibt verschiedene Arten von Forderungen. Wenn Unternehmen meinen, wir hätten ihren Betrieb gestört und ihnen einen Schaden verursacht, können sie Schadensersatz verlangen. Zum Beispiel versucht gerade Tönnies etwa 14.000 Euro von Menschen einzutreiben, die in Kellinghusen einen Schlachthof blockiert haben. RWE verlangt knapp 2 Millionen Euro Schadensersatz von einer Kleingruppe für ein zeitweise stillgelegtes Kohlekraftwerk in Weisweiler und in einem anderen Fall wurden Aktivistis nach einer Ankettaktion auf Gleisen die Kosten für den Schienenersatzverkehr in Rechnung gestellt. Für eine Schadensersatzforderung muss ein Unternehmen (oder eine Privatperson) genau belegen, welchen Schaden es hatte.
Gesamtschuldnerisch
Die Schadensersatzforderung richtet sich dann entweder gegen eine Person oder gegen mehrere beteiligte Personen gleichzeitig. Dann wird das Geld gesamtschuldnerisch verlangt. Das heißt, dass die Kosten nicht auf alle aufgeteilt werden, sondern das wenn bei einigen Personen nichts zu holen ist, die Kosten einfach bei den anderen eingetrieben werden können. So kann auch die ganze Summe von einer Person geholt werden.
Räumungskosten und Gebühren
Die nächste Art von Forderung sind die Kosten, die direkt aus einer Aktion entstehen. Dabei kann es um Absicherungsarbeiten bei einer Autobahnsperrung oder um die Einsatzkosten der Polizei selbst gehen. In einigen Bundesländern und bei der Bundespolizei gibt es auch Gebührenordnungen, die zum Beispiel fürs Wegtragen oder für die Ingewahrsamnahme (also das Einsperren zur Verhinderung von Straftaten) die Weggetragenen oder Eingesperrten zahlen lässt, obwohl diese doch nie freiwillig die „Leistung“ der Polizei in Anspruch genommen haben. Auch nach der Räumung im Dannenröder Forst versucht die Polizei gerade ihre Kosten von den Geräumten einzutreiben.
Schmerzensgeld
Eine weitere Möglichkeit für Geldforderungen ist Schmerzensgeld. So etwas kommt vor, wenn wir z.B. Cops oder Nazis verletzt haben sollen. Manchmal wird das in einem Strafverfahren auch mitentschieden, dass Schmerzensgeld zu zahlen ist. Andersherum gab es auch schon Erfolg darin, Schmerzensgeld von der Polizei einzutreiben, oft für rechtswidriges Einsperren.
B. ABLAUF
Zunächst bekommt ihr die Rechnung, einen Gebührenbescheid oder sonst einen Brief darüber, was für Geld ihr zahlen sollt. Manchmal gibt es dann noch ein paar Mahnungen. Was dann passiert, unterscheidet sich, je nachdem, von wem die Forderung kommt.
Forderung von Privat
Wenn es eine Forderung von einem Unternehmen oder einer Privatperson ist, kann diese nach 30 Tagen einen sogenannten gerichtlichen Mahnbescheid am Amtsgericht beantragen. Das Gericht schickt euch den dann. Wenn ihr Widerspruch dagegen einlegt, kommt es zu einem Zivilprozess und ihr dürft euch vor Gericht darum streiten, ob die Forderung überhaupt rechtmäßig ist. Die zivilrechtliche Forderung kann bis der Zivilprozess entschieden wurde, erst einmal nicht vollstreckt werden. Wenn ihr zwei Wochen nicht auf den gerichtlichen Mahnbescheid reagiert habt, kann ein sogenannter Vollstreckungsbescheid erwirkt werden. Damit hat eure Gläubigerin (die Person/Firma die von euch Geld will) einen „Schuldtitel“ gegen euch erwirkt und darf die Schulden bei euch eintreiben – selbst wenn ihr dann noch Widerspruch einlegt. Alle entstehenden Kosten muss aber erst mal der*die Gläubiger*in vorstrecken. Neben diesem formalen Weg kommt es deshalb oft vor, dass zunächst Inkassounternehmen eingeschaltet werden. Die Briefe von denen klingen zwar einschüchternd, sind aber formal vollkommen irrelevant. Die Zwangsvollstreckung geht nur mit Schuldtitel.
Zivilprozess
Wie ein Zivilprozess genau funktioniert, steht in der Zivilprozessordnung (ZPO). Anders als im Strafprozess gibt es keine Unschuldsvermutung und Aussageverweigerung funktioniert nicht wirklich gut. Denn im Prozess tragen beide Seiten ihre Version und Ansprüche vor und müssen diese mit Aussagen und Beweisen untermaueren. Dann entscheidet das Gericht, welcher Seite es glaubt und Recht gibt. Ob Amtsgericht oder Landgericht zuständig ist, hängt von der Höhe der Forderung ab. Wer den Prozess verliert, muss die Kosten tragen, im Zweifel auch von Anwält*innen der Gegenseite. Diese Kosten können deutlich höher sein als bei Strafprozessen und auch wieder zivilrechtlich eingetrieben werden.
Pfändungen und Gerichtsvollzieher*innen
Zahlt ihr nicht und gibt es einen Vollstreckungstitel, versucht der*die Gläubiger*in an euer Geld zu kommen, beispielsweise über Pfändungen von Einkommen und Konto, was von dem*der erst bei Gericht beantragt werden muss und dann bei Arbeitgeber*in oder Bank landet. Eingeschaltete Gerichtsvollzieher*innen dürfen aber auch zu Hause vorbei kommen und Dinge pfänden (wobei sie die meisten Sachen dann doch nicht mitnehmen dürfen, weil sie zum Beispiel Grundbedürfnissen oder zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben dienen). Sie können auch die Abgabe einer Vermögensauskunft verlangen. Wenn mensch die verweigert, kann mensch tatsächlich für bis zu 6 Monate im Knast langen (wenn mensch die nicht dann doch abgibt).
Forderung vom Staat
Beim Staat ist es so, dass manche Forderungen und Beschlüsse schon als Vollstreckungstitel gelten und also direkt eingetrieben werden können. Da ist es sinnvoll, auf die Rechtsbehelfsbelehrungen in den Schreiben zu achten. Dann kann es bei Einlegen der dort genannten Rechtsmittel je nach Art der Forderung zu einem Verwaltungsverfahren (Gebührenbescheid) oder einem Zivilprozess (Schmerzensgeld) kommen. Ein Kostenbescheid ist nur rechtmäßig, wenn die Amtshandlung (also zum Beispiel das Eingreifen von Polizei oder Feuerwehr) rechtmäßig war – da gibt es also durchaus Angriffspunkte. Verwaltungsverfahren laufen vor extra Verwaltungsgerichten, meist mit gegenseitigen schriftlichen Stellungnahmen. Oft sind Bescheide dann auch so, dass ein Widerspruch nicht automatisch aufschiebende Wirkung habt, also trotzdem direkt gezahlt werden müsste – das muss dann zusätzlich beantragt werden. Genaues Lesen ist hier also wichtig.
Zum Eintreiben der Forderungen können unterschiedliche Vollstreckungsbehörden tätig werden und Zeugs pfänden. Das kann sich je nach Bundesland unterscheiden, bei Verweigerung von Abgaben und Steuern, Krankenkassenbeiträgen oder Forderungen vom Jobcenter ist es oft der Zoll. Wenn wir das richtig verstanden haben, muss für die Abgabe einer Vermögenauskunft dann aber doch ein*e Gerichtsvollzieher*in eingeschaltet werden.
C. UMGANG
Einen guten, solidarischen Umgang mit solchen zivilrechtlichen Forderungen zu finden, ist oft schwer. Das liegt daran, dass die Summen, um die es hier geht, nicht so einfach durch ein paar Soli-Partys zu bekommen sind wie das bei Strafverfahren meist gut klappt. Außerdem soll das Geld oft an Institutionen gehen, die mensch so gar nicht unterstützen will.
Vernetzung
Gerade bei zivilrechtlichen Forderungen, die oft gesamtschuldnerisch laufen, ist eine Vernetzung und gemeinsame Absprachen der Betroffenen wichtig. Es nützt vermutlich nichts, wenn eine Person einen Prozess führt und währenddessen bei anderen das Geld eingetrieben wird. Kommunikation über die finanzielle Situation, Bedürfnisse und Probleme ist vielleicht ungewohnt, an dieser Stelle aber unvermeidbar. Oft ist es auch zusammen einfacher, sich das Leben trotz Schulden gut und bedürfnisorientiert zu organisieren.
Prozesse führen
Ob es sich lohnt, Zivilprozesse zu führen, kann sehr unterschiedlich sein und hängt von verschiedenen Fragen ab. Einige zur Diskussion: Wie aussichtsreich ist ein Prozess? Wie hoch können die Kosten werden? Müssen die Kosten von uns getragen werden (siehe nächster Absatz)? Können wir dadurch die Kosten für miese Firmen sogar noch in die Höhe treiben (weil die alles vorstrecken müssen)? Haben wir die Energie dafür? Könnten Aussagen dort in gleichzeitig laufenden Strafverfahren uns belasten? Was können wir politisch gewinnen? Kämpfen wir aus Prinzip?
Schulden haben
Was den Umgang mit Geldforderungen sehr einfach macht, ist ein Leben unterhalb von Pfändungsgrenzen. Einkommen darf bis zu etwa 1200 Euro im Monat nicht gepfändet werden (der konkrete Betrag erhöht sich hin und wieder), Gegenstände für Grundbedürfnisse oder Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auch nicht. Auch wenn es mit Vermögensauskunft und Eintrag im Schuldner*innen-Verzeichnis schwieriger ist, an Miet- oder Handyverträge zu kommen, ist ein Leben unter diesen Bedingungen durchaus organisierbar – gerade mit solidarischem Umfeld.
Konkrete Tipps dazu gibt es in diesem Reader: https://vonunsbekommtihrnix.blackblogs.org/
Da sind auch einige der konkreten Gesetzesgrundlagen für zivilrechtliche Forderungen genannt.