Emotionale Antirepression

In unserem Kampf für Klimagerechtigkeit sind wir manchmal ganz schön viel Repression ausgesetzt, Polizeigewalt durch Schläge, Pfefferspray oder Schmerzgriffe, Schikanen in der Gesa (Gefangenensammelstelle auf der Polizeiwache), der Furcht identifiziert zu werden, dem Druck von Strafverfahren, der Ohnmacht in Gerichten, der Hilflosigkeit wenn wir oder Freund*innen im Knast landen oder auch der Angst um unsere jetzigen oder zukünftigen Jobs. All das trifft uns alle unterschiedlich, aber nicht nur physisch, sondern ganz oft auch emotional und es ist normal, das nicht einfach alles wegstecken zu können. Deshalb hier im Schwerpunkt ein paar Anregungen zum Umgang mit Erlebten und Zukünftigem.

Was hilft mir?

Fangen wir bei uns selbst an. Jede*r reagiert anders auf stressige Situationen und hat andere Wege damit klar zu kommen. Auf der Polizeiwache hilft es manchem Menschen, sich in sich selbst zurück zu ziehen, anderen geht es besser, wenn sie sich bei jeder Gelegenheit mit den Bullen anlegen oder was zum Lachen finden. Oft ist es hilfreich, sich selbst kennen zu lernen und Überlebensstrategien für sich zu entwickeln. Das gilt für Situationen selbst und auch die Tage danach: Manche brauchen viele Freund*innen um sich, manche Ruhe, manche ein Tee oder ein Bier, manchmal hilft es Sachen aufzuschreiben oder zu erzählen, sich beim Sport auszupowern oder sich abzulenken.

Bezugsgruppe

In Aktionen und gemeinsamen Erlebnissen lernen wir uns oft ganz anders und intensiver kennen, oft haben wir Bezugsgruppen um aufeinander aufzupassen in der Aktion. Manchmal sind unsere Bezugsgruppen auch die Einzigen, die uns verstehen oder auch die einzigen, mit denen wir über bestimmte Sachen überhaupt reden können, weil niemand sonst davon erfahren darf. Es gibt daher gute Erfahrungen damit, sich vor Aktionen in Bezugsgruppen gemeinsam auszutauschen, über Ängste und Bedürfnisse und sich auch danach, auch mit ein paar Tagen Abstand noch mal zu treffen um über Erlebtes zu reden, gerade wenn es schlimm war.

Out of Action

Wenn ihr mit etwas nicht allein oder mit eurer Bezugsgruppe klar kommt, gibt es auch „Out of Action“, eine Gruppe, die sich gegründet hat um bei emotionalem Stress bis Traumata zu unterstützen. In ihrem Selbstverständnis heißt es: „Über die Traumatisierung Einzelner soll allgemein von politischem Widerstand abgeschreckt werden, indem ein Gefühl von Handlungsunfähigkeit und Ohnmacht gegenüber staatlicher Herrschaft erzeugt wird. Die Betroffenen ziehen sich häufig aus der Bewegung und auch aus ihrem persönlichen Umfeld zurück, wenn sie keine Unterstützung bei der Bewältigung des Erlebten erhalten.

Die Emotionale Erste Hilfe-Gruppe Out of Action kämpft gegen diese Effekte von Gewalt und Repression und für einen offenen, solidarischen Umgang miteinander.“ Out of Action ist eine Gruppe von Aktivist*innen für Aktivist*innen.

Kontakte zu den verschiedenen Ortsgruppen findet ihr hier: https://outofaction.blackblogs.org/

Psychologists for future

In den Gruppen der Psy4Future (also wie fridays for future) haben sich Psycholog*innen/Psychater*innen/Psychotherapeut*innen zum Kampf fürs Klima zusammengeschlossen. Mancherorts bieten Einzelpersonen von ihnen auch Beratung und Gespräche für Aktivist*innen an. Sie haben selbst unterschiedlich viel Aktivisti-Erfahrung.

Weitere Möglichkeiten

Wer eine Auszeit braucht, kann sich auch an das Projekt „Zähne putzen“ wenden, dort werden Orte zur Erholung und zum Reflektieren vermittelt, zum Beispiel in Ökodörfern oder Kommunen. https://aktivisti-retreat.org/

Seit einigen Jahren gibt es auch Aktivist*innen, die mit dem Konzept der Radikalen Therapie arbeiten und dieses für nomadisch aktivistisch lebende Menschen angepasst haben. Radikale Therapie ist eine selbstorganisierte Gruppentherapie in der ohne Therapeuti gearbeitet wird. Demnächst soll eine neue Gruppe gestartet werden. Interessierte können sich an nomadisches_rt@rumpelwicht.net wenden. Allgemeine Infos zur Methodik unter: https://www.radikale-therapie.de/de/

Nicht noch Repression untereinander

Und zum Schluss noch ein bisschen was in eigener Sache. Wir machen alle Fehler. Gerade wenn wir dem Druck von staatlichen Repressionsapparaten ausgesetzt sind ist es nicht immer leicht, den Kopf nicht in den Sand zu stecken oder nachzugeben. Wir haben auch schon davon gehört, dass Menschen Angst hatten sich an Antirepressionsgruppen zu wenden, weil sie Sachen „falsch“ gemacht haben. Bitte macht euch den Stress nicht, wir wollen keine zusätzliche Repressionsstruktur sein. Wendet euch trotzdem an Antirepressionsgruppen, denn auch mit Fehlern oder nicht optimal gelaufenen Sachen lässt sich besser ein solidarischer Umgang finden, wenn wir drüber reden! Deshalb lasst uns nicht hart zueinander sein.

Literaturtipps