Versammlungen

Was ist eine Versammlung?

Wenn mehrere Menschen (je nach Bundesland auch schon ab zwei) sich unter freiem Himmel treffen, miteinander kommunizieren und sich mit Botschaften zur politischen Meinungsbildung nach außen richten, dann ist das ganze eine Versammlung. Das gilt ganz unabhängig davon, ob die Polizei oder ihr selbst das gerade so seht oder nicht. Äußerungen können dabei durch Transparente, aber auch durch Parolen oder Kreidesprüche stattfinden. Eine Versammlung kann eine Demo sein, also mit einer abzulaufenden Route, oder eine Kundgebung an nur einem Ort, oder auch ein Aktionscamp über mehrere Tage.

Manchmal ist es ganz nützlich eine Versammlung zu sein, denn das Versammlungsrecht als Grundrecht sorgt dafür dass die Polizei uns nicht einfach wegschicken kann und Menschen zu der (angemeldeten) Versammlung durchgelassen werden müssen (je nach Bundesland auch ohne Personalienkontrolle) – also lohnt es sich für den Fall ein Transparent oder ein Stück Kreide in der Tasche zu haben. Eigentlich muss die Polizei euch bei eurer Versammlung auch vor Angriffen von außen beschützen – das klappt aber gerade in linken Kontexten oftmals gar nicht oder nur nach eindringlichen Bitten.

Versammlung anmelden

Die Behörden wollen gerne, dass Versammlungen vorher angemeldet werden. Wir müssen also nicht um Erlaubnis fragen, aber sollen vorher Bescheid sagen. Für alles längerfristig geplante ist das gesetzlich so geregelt, dass eine Anmeldefrist von 48 Stunden gilt. Also 48 Stunden vor Bekanntgabe der Versammlung (z. B. durch Plakatieren, online Mobilisieren etc.) muss diese angemeldet werden bei der zuständigen Behörde. Oft ist das das Ordnungsamt, in manchen Bundesländern wie NRW auch die Polizei. Wenn ihr also eine Demo oder Kundgebung anmelden wollt, recherchiert die zuständige Behörde und schreibt denen (manchmal geht auch Mail oder Telefon, aber rechtssicher ist Fax oder Brief): „Ich zeige eine Demonstration für den X.X.2021 an von Y bis Z Uhr mit Thema A. Die Route ist wie folgt: … Die Versammlung wird geleitet von mir/Person B.“ Manche Behörden haben auch Formulare für Versammlungsanmeldungen, die müsst ihr aber nicht unbedingt benutzen.

Nach der Anmeldung kann es sein, dass ihr zu einem „Kooperationsgespräch“ eingeladen werdet, beispielsweise wenn die euch einen Teil eurer Route verbieten wollen. Wenn ihr darauf nicht reagiert, haben die Behörden es leichter mit Verboten durchzukommen. Wenn sie euch Auflagen erteilen (z. B. Glasflaschenverbot, nur rechte Straßenspur benutzen, Anzahl der Ordner*innen) oder die Versammlung verbieten, könnt ihr vor dem Verwaltungsgericht Klage dagegen einreichen. Kleiner Tipp: Geht nicht allein, sondern mit mehreren Personen zum Gespräch (oft geht das so, ihr könnt aber auch bei der Anmeldung unterschiedliche Personen für Anmelder*in und Versammlungsleitung angeben). Die „Gegenseite“ ist meistens auch mit mehreren Beamt*innen zugegen.

Für größere Demos braucht es meistens sogenannte Ordner*innen, die durch weiße Armbinden etc. sichtbar sind. Die Ordner*innen sollen laut Gesetz die Versammlungsleitung dabei unterstützen, die Auflagen einzuhalten und den „reibungslosen Ablauf“ der Versammlung zu garantieren. Dabei müssen sie aber keinesfalls selber Polizei spielen, sondern können z. B. Menschen darauf hinweisen, dass sie bitte Maske tragen, oder nicht auf die Straßenbahntrasse laufen etc. oder können auch einfach nichts machen, je nachdem wie ihr die Versammlung haben wollt. Ordner*innen mit Kommunikationskanal (WalkiTalki, Messenger) sind auch sehr nützlich wenn ihr selber einen Überblick behalten wollt, was bei einem langen Demozug vorne, hinten und dazwischen passiert.

Noch mehr Infos zum Versammlung anmelden: https://kreaktivisten.org/howtos/behoerdenkrams/anmeldung-einer-versammlung/

Versammlung beenden

Wenn ihr eine Versammlung angemeldet und durchgeführt habt, müsst ihr sie am Ende auch offiziell beenden. Dazu reicht es, einmal laut ins Mikro/Mega/die Menge zu rufen, dass die Versammlung jetzt beendet ist. Zu diesem Zeitpunkt endet die Verantwortlichkeit der Versammlungsleitung, aber leider auch der Schutz der Teilnehmenden. Wenn die Polizei den Eindruck hat, dass ihr eure Auflagen nicht einhalten könnt (weil alle Menschen eine ganz andere Route laufen als abgesprochen oder Dinge anfangen zu brennen), kann sie eure Versammlung auflösen. Das geschieht in der Regel (aber leider nicht immer) mit drei Aufforderungen als Durchsagen der Uniformierten. Anschließend müssen sich die Leute verstreuen oder nach Hause gehen, so zumindest die staatliche Hoffnung.

Wenn Teilnehmende eurer Versammlung sich von der Versammlung entfernen und Schabernack anstellen, ist das auf jeden Fall nicht mehr eure Zuständigkeit und ihr dürft dafür nicht zur Rechenschaft gezogen werden.

Unangemeldete Versammlungen

Spontane Versammlungen müssen nicht angemeldet werden. Das heißt, wenn ihr beispielsweise gegen eine gerade stattgefundene Festnahme demonstrieren wollt, dürft ihr das auch ohne Anmeldung.

Es gibt auch Gründe dafür etwas vorher zu planen und trotzdem nicht anzumelden; z. B. wenn wir an Orten demonstrieren wollen an denen es verboten würde (Bahnschienen, Betriebsgelände), oder weil wir nicht wollen, dass die Gegenseite sich vorbereiten kann (wo bleibt denn da die Überraschung?), oder weil wir einfach nicht um Erlaubnis fragen wollen, wann, wo und wie wir demonstrieren. Das geht auch und solche Versammlungen dürfen auch von der Polizei nicht aufgelöst werden, solange sie nicht „unfriedlich“ sind. Wichtig ist nur, dass dann keine*r als Versammlungsleiter*in klar auftritt, weil die Leitung von unangemeldeten, nicht spontanen Versammlungen ist in fast allen Bundesländern eine Straftat. Wenn es keine Leiter*in gibt, haben sie Pech gehabt und können uns nicht verfolgen, auch wenn die Versammlung offensichtlich nicht spontan ist. Einzige Ausnahme: Schleswig-Holstein (dort ist die Leitung nicht strafbar, aber die Teilnahme eine Ordnungswidrigkeit).

Eindruck machen

Wenn ihr in Diskussionen mit der Polizei um euer Versammlungsrecht die meist unwissenden Beamt*innen beeindrucken wollt, hier ein paar nützliche Begriffe zum denen an den Kopf Werfen:

Polizeifestigkeit: Die Polizei darf nicht nach Polizeirecht in Versammlungen handeln, d.h. zum Beispiel keine Platzverweise oder präventiven Ingewahrsamnahmen innerhalb des Versammlunsraumes machen (soll in NRW leider geändert werden).

Brokdorf-Beschluss: Auch unangemeldete Versammlungen darf die Polizei nicht auflösen, solange sie nicht unfriedlich sind. Außerdem steht dort, dass die Veranstalter*innen über Ort und Form der Versammlung bestimmen und Protest in Sicht- und Hörweite des kritisierten Gegenstands stattfinden darf.

Fraport-Urteil: Wenn ein Gelände einem Konzern gehört, der überwiegend in staatlicher Hand ist und öffentlich zugänglich ist, darf dort auch gegen den Willen des Konzerns demonstriert werden.